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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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Kreuzung an, deren Ampel auf Grün stand, und
die zum Glück für alle Beteiligten nicht von anderen Autos blockiert wurde. Kurz
danach hatte Obermann mit seinem Vectra den Rückstand auf null reduziert und klebte
bei Tempo 140 an der Stoßstange des Fluchtwagens. Überholen oder daneben fahren
jedoch konnte er nicht, weil sich wegen des Pendlerverkehrs in die Stadt auf der
Gegenspur ein Auto ans andere reihte. Klausner war wieder mit dem Funk beschäftigt,
worum es ging, konnte der Polizeiobermeister jedoch nicht verstehen.
    Vor der nächsten Kreuzung, an der es rechts nach Bergshausen und links
zur Autobahnauffahrt an der Raststätte Kassel ging, nahm der Beamte kurz den Fuß
vom Gas und legte so ein paar Meter mehr zwischen sich und den Fiesta, was sich
schon Sekundenbruchteile später als überaus weitsichtig herausstellte, denn ohne
diese Maßnahme wäre er dem voll bremsenden und nach links, Richtung Autobahn, abbiegenden
Kleinwagen fast ins Heck gerauscht. So allerdings folgte er dem mit über die Vorderräder
durch die Kurve schiebenden Fiesta, ohne den sonst unvermeidlichen Unfall zu provozieren.
    »Da vorne«, deutete Klausner mit der linken Hand auf einen weiteren
Einsatzwagen der Polizei, der sich aus Richtung Lohfelden näherte und gerade die
Brücke über die A7 überquerte.
    »Halt an, du Idiot«, murmelte Obermann in Richtung des vor ihm fahrenden
Kleinwagens, doch dessen Fahrer dachte nicht daran, sein Tempo auch nur um einen
Stundenkilometer zu reduzieren, ganz im Gegenteil.
    Die Front des Streifenwagens, der ihnen entgegen kam, duckte sich nun
auf die Straße, und die beiden Polizisten realisierten, dass der Fahrer damit eine
Vollbremsung einleitete. Dann schlug er die Lenkung ein, sodass die Vorderräder
sich nach links bewegten und das Heck des Autos ausbrach. Sekundenbruchteile später
war die Auffahrt zur Autobahn ebenso blockiert wie die Weiterfahrt auf die Brücke.
    Der Fiesta begann zu wackeln, weil sein Fahrer nun ebenfalls eine Vollbremsung
einleitete, das kleine Auto verfügte jedoch weder über ABS noch über ein modernes
ESP. Aus allen vier Radkästen stieg blauer Rauch auf, weil die Räder blockierten.
Der vordere linke Reifen, so stellte später ein Sachverständiger fest, platzte vermutlich
unter der Belastung, sodass der Kleinwagen nicht mehr zu kontrollieren war. Obwohl
er sich mit vier stehenden Rädern dem Polizeifahrzeug näherte, verringerte sich
die Geschwindigkeit des Fiesta auf der feuchten Asphaltdecke nur marginal. Obermann
erkannte, dass die beiden Kollegen in dem Polizeifahrzeug die Arme hochrissen, als
der Einschlag unmittelbar bevorstand. Dann knallte die Front des Kleinwagens auf
den rechten vorderen Kotflügel des Passat Kombi, der sich dadurch um etwa zwei Meter
nach hinten verschob, stieg auf, schlug wie in Zeitlupe einen fast kompletten Salto,
der ihn etwa 3 Meter in die Höhe und 15 Meter weit nach vorne katapultierte. Ausgelöst
und begünstigt durch eine leichte Rotation um die Längsachse schlug der Fiesta mit
dem Schweller der Fahrerseite auf das Geländer der Brücke, zerdrückte die leichte
Aluminiumkonstruktion wie ein Zahnstochergebilde, und blieb für einen Augenblick
in dieser Position hängen, nahezu frei über der voll befahrenen Autobahn. Aus dem
total zerstörten Vorderwagen stieg blauer und weißer Rauch auf, und Ölnebel verteilte
sich auf den Windschutzscheiben der Fahrzeuge etwa 8 Meter weiter unten. Obermann
hatte den Eindruck, dass damit die Reise des kleinen Wagens zu Ende wäre, doch dann
setzte sich das Wrack langsam in Bewegung, rutschte über die Kante, wurde für einen
Sekundenbruchteil von einem Teil des Geländers aufgehalten, das jedoch viel zu fragil
gebaut war für das Gewicht des Autos, und stürzte dann lautlos in die Tiefe.
     
    *
     
    Wolfgang Keil drehte die Countrymusik aus dem CD-Spieler etwas lauter,
nippte an seinem Kaffee, und freute sich auf zu Hause. Noch 260 Kilometer oder etwas
mehr als drei Stunden musste er durchhalten bis Heppenheim, wo sich der Stammsitz
der Spedition befand, für die er seit mehr als 10 Jahren als Fernfahrer auf Achse
war. Die ganze Nacht hatte er am Lenkrad verbracht und gerade einmal die gesetzlich
notwendigen Ruhezeiten eingehalten, weil er sich so sehr auf seine Frau und die
beiden Kinder freute. Die Kleine hatte eine Eins in Mathe nach Hause gebracht, das
erste sehr gut überhaupt. Wenn das kein Grund war, sich die Nacht um die Ohren zu
schlagen!
    Er hatte mit ein paar Staus gerechnet, wegen

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