Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
Vom Netzwerk:
»kümmern wir uns natürlich
ein bisschen darum. Aber grundsätzlich erstmal nicht. Warum fragen Sie?«
    »Weil ich …« Er stockte und sah wieder aus dem Fenster.
    »Ja?«
    »Weil ich Angst habe. Verdammte Angst.«
    »Hui«, machte Hain, »das klingt jetzt aber ganz anders als gestern.
Da hatten Sie scheinbar diese Angst noch nicht.«
    Der Journalist drehte erneut den Kopf und sah den Oberkommissar vorwurfsvoll
an. »Nein, gestern um diese Zeit konnte ich auch noch nicht ahnen, welches Wespennest
ich mit meinen Recherchen da wirklich angestochen habe.«
    »Nun lassen Sie sich nicht jedes Wort aus der Nase ziehen, Herr Stemmler«,
forderte Lenz den Mann im Bett auf. »Wer hat Sie verprügelt, und warum?«
    Stemmler griff zu einer Packung Papiertaschentücher, die auf dem Nachtspind
lag, zog mit zitternden Fingern einen der weißen Zellstofflappen heraus und putzte
sich die Nase, was offensichtlich mit großen Schmerzen für ihn verbunden war.
    »Es war kein Einzeltäter, sondern zwei«, begann er nach einer kleinen
Pause. »Wer genau es war, kann ich Ihnen nicht sagen, weil ich die beiden Männer
noch nie gesehen habe, und sehr genau habe ich sie auch in der letzten Nacht nicht
zu Gesicht gekriegt, dazu ging das alles viel zu schnell.« Er machte wieder eine
kleine Pause, weil ihm offenbar auch das Atmen große Schwierigkeiten bereitete.
»Ich befürchte, wenn diese Pornogesellschaft nicht zufällig vorbeigekommen wäre,
hätten die beiden mich totgeschlagen.«
    Lenz und Hain sahen sich kurz an.
    »Von welcher Pornogesellschaft sprechen Sie?«, fragte Hain irritiert
nach. »Oder nein, lassen Sie es. Vielleicht ist es besser, wenn Sie ganz von vorne
anfangen. Am besten an dem Punkt, wo Sie sich entschlossen haben, nach Kassel zu
kommen.«
    Stemmler atmete tief ein und warf einen Blick an die Decke. Es sah
aus, als würde er abwägen, was er den Polizisten erzählen sollte.
    »Ach, und wenn Sie sich entschließen anzufangen, Herr Stemmler«, unterbrach
Hain seine Gedanken, »dann bitte die komplette Version. Wenn wir merken, dass da
was fehlen sollte oder etwas nicht plausibel ist, streicheln wir Ihnen noch mal
kurz über Ihren blutigen Schädel, wünschen Ihnen für Ihren weiteren Lebensweg das
Beste und ziehen ab. Alles klar?«
    Das zeigte Wirkung. Der Journalist lehnte sich zurück und nickte.
    »Ja, alles klar.«
    »Dann los.«
    »Ich recherchiere seit etwa einem halben Jahr in einer Sache, die sich
mit dem Geldfluss innerhalb der streng religiösen islamischen Organisationen beschäftigt.
Kurz gesagt geht es darum, wie diese Organisationen an die benötigten Mittel kommen,
und wie sie diese verwenden. Mir war schon zu Beginn klar, dass es dabei um ein
sehr heißes Thema geht, weil sich diese Vereine und Verbände nicht gerne in die
Karten schauen lassen, weder von mir, noch von jemand anderem. Zuerst bin ich auch
auf eine Mauer des Schweigens und der Furcht getroffen, niemand wollte mit mir auch
nur einen Termin für ein Gespräch vereinbaren. In den letzten Wochen gelang es mir
jedoch, mit dem einen oder anderen Insider in Kontakt zu treten, und seitdem ist
aus der Sache ein Selbstläufer geworden.«
    »Und in Kassel gibt es diese Insider?«
    »Ja, hier gibt es Personen, die ich als Insider bezeichnen würde. Aber
ich bitte Sie zu akzeptieren, dass ich momentan nicht bereit bin, meine Informanten
offenzulegen, zumal ich fest davon überzeugt bin, dass sie mit dem Überfall auf
mich nichts zu tun haben.«
    »Und wer hat Ihrer Meinung nach etwas damit zu tun?«
    »Diese Frage zu beantworten, ist alles andere als einfach, meine Herren.
Es gibt in Deutschland eine Menge vermeintlich dezentral organisierter islamischer
Gruppen, die sich nach außen hin als zwar konservativ im islamischen Sinn, aber
keinesfalls fundamentalistisch oder radikal geben. Das ist jedoch leider nur die
halbe Wahrheit, denn Organisationen wie etwa Milli Görü ş , in deren Umfeld ich recherchiert habe, haben
diese Gruppen längst unterwandert und geben in vielen seit einiger Zeit den Ton
an. Das heißt, dass …«
    Lenz hob den Arm, um den Redefluss des Mannes im Krankenbett zu stoppen.
»Ich habe das akustisch nicht verstanden. Wie nennt sich diese Organisation?«
    »Milli Görü ş .«
    »Was genau heißt das?«, hakte Hain nach. »Hat das irgendeine Bedeutung?«
    Stemmler nickte matt. »Die wörtliche Übersetzung ist Nationale Sicht.«
    »Und diese Organisation ist in Kassel aktiv?«
    »Milli Görü ş ist auf der ganzen Welt aktiv, auf

Weitere Kostenlose Bücher