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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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jeden Fall auch in Kassel.«
    »Und wofür oder wogegen sind die?«
    »Nun ja«, erwiderte Stemmler, zog sich mit dem bandagierten linken
Arm an dem Dreieck über seinem Kopf ein wenig in die Höhe, und entlastete dadurch
seinen Rücken. »Wofür oder wogegen Milli Görü ş in letzter Konsequenz steht, ist eigentlich gar nicht so recht klar.
Es ist aber zu vermuten, dass zumindest Teile davon dem radikalen Islamismus zuzurechnen
sind. Aber weil die Ziele bewusst nebulös gehalten werden, ist das auch den meisten
der Mitglieder nicht klar.«
    »Und Sie meinen, dass hinter der Attacke auf Sie diese Milli-Görü ş -Truppe steht?«, wollte Hain wissen, der mittlerweile
seinen Notizblock in der Hand hielt und mitschrieb. »Warum sollten die so was machen?«
    »Weil ich meine Nase zu tief in ihre Angelegenheiten gesteckt habe.
Weil ich zumindest in Ansätzen herausgefunden habe, wie ihr System der Finanzierung
und der Geldwäsche funktioniert.«
    »Deswegen haben Sie mit Gökhan Bilgin gesprochen?«
    »Ja. Aber der Mann war so verbohrt und so ideologisiert, dass ein vernünftiges
Gespräch unmöglich gewesen ist.«
    »Nach Ihrer Meinung hatte Bilgin etwas mit diesem Finanzsystem zu tun?«,
erkundigte sich Lenz, der an die merkwürdigen Kontoauszüge in der Wohnung des Getöteten
dachte.
    »Gökhan Bilgin war auf jeden Fall einer der Kasseler Repräsentanten
von Milli Görü ş . Er hat Geld gesammelt und
es auch wieder verteilt. Und das, obwohl er offiziell ein Arbeitslosengeld-II-Aufstocker
gewesen ist, weil ihm der Verdienst aus seiner Schneiderei nicht zum Leben gereicht
hat.«
    »Woher wissen Sie das alles?«, fragte Hain den Mann im Krankenbett.
    »Das herauszufinden war recht einfach, so was muss ein vernünftiger
Journalist hinkriegen. Viel schwerer wäre es gewesen, im weiteren Verlauf die Geldströme
nachzuverfolgen.«
    »Warum wäre?«
    »Weil die Schnittstelle von der Bildfläche genommen wurde.«
    »Gökhan Bilgin?«
    Stemmler nickte. »Bilgin war die Schlüsselfigur im Kasseler Netzwerk.
Jetzt ist er tot, und damit sind die Verbindungslinien gekappt.«
    »Aber Sie haben doch sicher weitere Namen?«
    »Ja, aber das sind kleine Lichter. Nach meinen Recherchen hat Bilgin
zur Zeit fast 100.000 Euro unter seiner Obhut, und ohne ihn endet die Spur im Nichts.«
    Hain warf seinem Chef einen fragenden Blick zu, ob er dem Journalisten
die korrekte Summe nennen sollte, doch Lenz reagierte nicht.
    »Na ja, immerhin haben wir das Geld und die Kontoauszüge«, meinte er
stattdessen. »Es sollte nicht allzu schwer sein, damit die Laufwege des Geldes nachzuvollziehen.«
    »Hoffentlich werden Sie nicht eine böse Überraschung erleben. Bilgin
war garantiert sehr findig, wenn es um die Verschleierung der Transaktionen ging,
natürlich auch, weil er von der Organisation bestmöglich unterstützt wurde.«
    »Hm«, machte Hain. »Bliebe eigentlich nur noch zu klären, warum er
und seine Familie umgebracht wurden. Und natürlich, warum man Sie so übel zugerichtet
hat.«
    Der Journalist mühte sich ein mattes Grinsen ab. »Was uns wieder zurück
zu der schon angesprochenen Pornogesellschaft bringt. Ich bin nämlich sicher, dass
die beiden, die mich angegriffen haben, mich nicht nur verletzen, sondern töten
wollten.«
    »Was macht Sie da so sicher?«, hakte Hain nach. »Wenn das tatsächlich
der Plan gewesen wäre, hätten Sie doch einfach mit der Knarre wedeln und abdrücken
können.«
    »Falsch«, korrigierte Stemmler. »Als die Pornogesellschaft um die Ecke
kam, waren die beiden gerade dabei mich aufzurichten und fingen an, mir Fragen zu
stellen.«
    »Und diese ominöse Pornogesellschaft hat eingegriffen?«
    »Genau.«
    »Wo«, wollte Hain wissen, »hat sich das Ganze denn abgespielt?«
    »Ich wohne in einem Hotel in der Innenstadt, dem Kasseler Hof. Dort
haben die beiden an meine Zimmertür geklopft, und als ich aufgemacht habe, ging
es ohne Vorwarnung mit den Faustschlägen los. Zu meinem großen Glück haben sie es
versäumt, die Tür zu schließen, als sie auf mich eingeprügelt haben. Gerade in dem
Moment, als sie anfangen wollten mich auszufragen, haben ein paar Zimmer weiter
die Leute, die dort einen Pornofilm drehten, Feierabend gemacht. Zwei der Jungs
waren ziemlich stämmig und sind dazwischengegangen, als ihnen klar wurde, was da
in meinen Zimmer ablief.«
    »Nur dass ich es richtig verstehe«, unterbrach Lenz die Ausführungen
des Journalisten, »da treffen sich Leute in einem Hotel, um einen Pornofilm zu

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