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Rechtsdruck

Rechtsdruck

Titel: Rechtsdruck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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drehen?«
    Stemmler nickte. »Ja.«
    »Wussten Sie davon?«
    »Nein. Aber ich fand es auch interessant, als alle ganz freimütig davon
erzählten, während wir gemeinsam auf den Notarzt warteten. Die drei Frauen, also
die Hauptdarstellerinnen, haben sich unterdessen ganz rührend und liebevoll um mich
gekümmert.«
    »Hoffentlich hatten sie sich wenigstens die Hände gewaschen«, nuschelte
Hain, während er mitschrieb.
    »Was passierte genau, als Ihre überraschenden Helfer aufgetaucht sind?«,
fragte Lenz.
    »Die zwei Pornodarsteller haben ohne zu fragen zugeschlagen, die beiden,
die mich verprügelt hatten, sind ziemlich überrascht abgehauen, der Notarztwagen
kam, und mit dem ging es hierher ins Krankenhaus. Das war alles.«
    Der Hauptkommissar überlegte ein paar Sekunden. »Und nun haben Sie
natürlich Schiss, dass diese Kerle, nachdem sie gestern gestört wurden, es ein zweites
Mal probieren werden?«
    »Genau.«
    »Aber Sie wollten uns nicht darüber informieren?«
    Stemmler schluckte. »Kurz bevor Sie aufgetaucht sind, hatte ich den
Entschluss gefasst, nach der Polizei zu verlangen, ganz ehrlich. Ich habe jedesmal,
wenn die Tür aufgegangen ist und eine Schwester oder ein Arzt hereinkam, und das
ist, seit ich hier liege, andauernd passiert, fast einen Schreikrampf bekommen vor
Angst. So weit geht mein journalistischer Ehrgeiz dann doch nicht, dass ich ihn
mit dem Leben bezahlen will.«
    »Was wollten Sie gestern bei den Bilgins?«
    »Ich wusste nach den Berichten im Radio, dass es sich bei den Toten
nur um die Familie handeln konnte. Also bin ich hingefahren um zu sehen, wie sich
das alles zugetragen hat.« Er druckste ein wenig herum. »Na ja, außerdem wollte
ich versuchen, in die Wohnung zu kommen, um vielleicht irgendetwas zu finden, das
mit den Finanztransaktionen zu tun haben könnte, die Bilgin vorgenommen hat.«
    »Was genau wissen Sie von den Transaktionen?«, interessierte sich Hain.
    »Er hat sie nicht unter seinem eigenen Namen ausgeführt, sondern die
Buchstaben ein klein wenig gedreht, sodass aus Bilgin ohne viel Mühe Biglin wurde.
Das ist übrigens ein Trick, den Milli Görü ş gerne anwendet. Mittlerweile ist es ganz häufig so, dass in Stadtteilen
mit großem türkischen Bevölkerungsanteil die Banken in den Filialen gerne auch türkische
Muttersprachler einsetzen, meistens Türken der zweiten und dritten Generation. Gerade
von denen stehen viele den Zielen von Milli Görü ş offen gegenüber, sodass bei der Einrichtung des Kontos schon mal das
eine oder andere Auge zugedrückt wird. Fliegt die Sache auf, ist es ein einfacher
Buchstabendreher, geht es gut, hat man ein Konto, das zu niemandem gehört und dessen
Spur bei eventuellen Nachforschungen, die ohnehin höchst selten stattfinden, im
Sande verläuft.«
    »So einfach und doch so effektiv«, stimmte Hain anerkennend zu.
    »Das ist richtig. Und keiner weiß genau, wie viele von diesen Konten
es in Deutschland, Europa oder der ganzen Welt gibt, von denen aus ganz einfach
auch internationale Transaktionen durchzuführen sind, wenn man ein paar simple Grundregeln
befolgt.«
    »Welche zum Beispiel?«
    »Das Wichtigste sind kleine Häppchen. Nie große Beträge überweisen
ist die erste Regel. Und immer die Empfängerkonten variieren. Wenn zu viele Buchungen
auf ein und demselben Konto gutgeschrieben werden, könnte sich am Ende doch mal
jemand dafür interessieren, wer da wem eigentlich regelmäßig Geld überweist.«
    »Und das alles haben Sie im Rahmen Ihrer Recherchen herausgefunden?«,
wunderte sich Hain.
    »Das ist der am wenigsten aufwendige Teil der Arbeit. In eine stramm
geführte, funktionierende Organisation wie Milli Görü ş einzudringen, ist schon bedeutend schwieriger.«
    »Aber das scheinen Sie ja auch geschafft zu haben?«
    »Stimmt.«
    »Haben Sie eigentlich die Kinder der Bilgins kennengelernt?«, wollte
Lenz wissen.
    Der Journalist nickte und veränderte ein weiteres Mal seine Liegeposition.
»Ja, ich habe mit allen gesprochen, mit Ausnahme des Kleinsten. Und es tut mir wirklich
leid, dass er mit seinen Eltern sterben musste.«
    »Welchen Eindruck hatten Sie von den anderen?«
    »Sie haben den Alten gehasst«, erwiderte Stemmler ohne das geringste
Nachdenken.
    »Alle?«
    »Ja, alle.«
    »Das haben sie Ihnen erzählt?«
    »Mehr oder weniger direkt, ja.«
    »Was halten Sie von Kemal, dem Ältesten?«
    Nun nahm sich der Reporter einen Moment Zeit, bevor er zu einer Antwort
ansetzte. »Ein cleverer Bursche. Nicht

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