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Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition)

Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition)

Titel: Rechtsgeschichten: Über Gerechtigkeit in der Literatur (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Weisberg
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Oase der Wahrhaftigkeit. Man könnte es den »Monolog« nennen, da der Kellerlochmensch in dem nur aus einem Absatz bestehenden Kapitel sich in einer Weise ausdrückt, die wie ein Echo auf Hamlet in dessen lichtesten Momenten wirkt. Erteilt uns mit, dass er sich »das Leben selbst zurechtgedichtet [hat], um wenigstens auf irgendeine Weise zu leben« (S. 18). Er lehnt die Realität kurzerhand ab und findet permanent Entschuldigungen für Isolation und Untätigkeit: »die direkte, legitime, unmittelbare Frucht des Bewußtseins – ist Trägheit, d. h. bewußtes Hände-im-Schoß-Dasitzen« (ebd.). Und obwohl er sich weiterhin vorgaukelt, dass nur dumme Menschen handeln können, kommt er wie Hamlet zu einem verblüffenden Ende:
    Oh, meine Herrschaften, vielleicht halte ich mich nur deswegen für einen klugen Menschen, weil ich in meinem ganzen Leben weder etwas habe beginnen noch beenden können. Schon gut, schon gut, ich mag ein Schwätzer sein, ein harmloser, lästiger Schwätzer, wie wir es ja alle sind. Aber was soll man denn tun, wenn die einzige und direkte Bestimmung eines jeglichen klugen Menschen in Schwatzen besteht: das heißt darin, mit Vorsatz leeres Stroh zu dreschen. (S. 20)
    Dieser für den Kellerlochmenschen auffallend und einzigartig ehrliche Kommentar bestätigt, dass die interne Logik seiner Tiraden gegen die »Naturgesetze« und das 19. Jahrhundert schon im Ansatz falsch ist. Der Protagonist schafft es, ein kurzes Bekenntnis abzulegen. Er gibt zu, dass sogar die Intelligenz, seine einzige Tugend, nur ein Hirngespinst seiner Verlogenheit sein könnte. Nachdem er diesen wesentlichen Charakterzug unterminiert hat, wird der Kellerlochmensch endgültig in das von Schklowski so genannte Nichts [ ničtožnost’ ] verbannt.
    Aber während das Nichts den Protagonisten definiert, besteht er paradoxerweise darauf, dem eine narrative Form zu geben. Könnte es sein, so fragt er, dass ich mich nur als intelligent bezeichne, um meine Untätigkeit zu rationalisieren? Denn die Tiraden des Kellerlochmenschen im ersten Teil gegen die beobachtbare Wirklichkeit lassen sich nur zum Teil als Kritik eines mittelmäßigen technologischen Positivismus rechtfertigen. Schließlich ist der homme de la nature in weitaus geringerem Umfang ein Positivist als der Protagonist. Der natürliche Mensch hat spontan an der ganzen Fülle der Wirklichkeit teil; auf der anderen Seite besteht die einzige Aktion des Protagonisten darin, diese Realität auf die beruhigenden Grenzen seiner vier Kellerlochwände und die Seiten seines Tagebuchs zu beschränken.
Von der Kränkung zur Verlogenheit: Zweiter Teil
    Weit entfernt vom Wunsch zu leben, hat der Protagonist eine hermetische, dem Untergang geweihte Art schierer Existenz gewählt. Doch hat er diese Haltung nicht auf dem Weg der Ablehnung einer entfremdenden Gesellschaft eingenommen, sondern durch feige Inkaufnahme seines eigenen Hangs zum Ressentiment.
    Der Protagonist war ein Beamter des mittleren Dienstes, ehe er seinen »Abschied« nahm. Er verachtete aufrichtig seine Arbeit, doch hat er »nicht auf sie gespuckt«, weil er »Geld dafür erhielt«. Seinen Kollegen gegenüber fühlte er sich überlegen (sie »waren alle stumpfsinnig«), aber er beneidete sie um ihr Selbstbewusstsein und fürchtete, sich lächerlich zu machen. »Das geschah bei mir damals immer ganz plötzlich«, erzählt er uns, »bald verachtete ich sie, bald erhob ich sie über mich.« Er führte ein eigenbrötlerisches Leben; seine einzige Freizeitbeschäftigung war die Lektüre. Dank dieser Lektüre wurde er zum »Romantiker«, zu einem intelligenten Menschen, der ein Ideal hat, aber »für dieses Ideal keinen Finger rühren« mag, und der »eher verrückt [wird] (was übrigens sehr selten vorkommt), doch er wird nicht spucken, bevor er nicht eine andere Karriere in Aussicht hat«. Oft versucht er, »durch äußere Reize das in [ihm] unaufhörlich Brodelnde [zu] unterdrücken«. Dazu dienen ihm das Lesen, das ihn »erquickte und quälte« sowie einsame, »schäbige Ausschweifungen«. »Schon damals trug ich das Kellerloch in meiner Seele.«
    Vor diesem Hintergrund waren nur ein oder zwei besondere Ereignisse erforderlich, um die Saat von Neid und Rachsucht zu einem gereiften Fall von Kellerloch-Ressentiment aufgehen zu lassen. Der Erzähler beschreibt diese wenigen Erfahrungen mit vielen Details, denn auch wenn sie nach normalen Maßstäben recht belanglos sind, stellen sie doch in seinem Leben die einzigen Beispiele

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