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RECKLESS HEARTS

RECKLESS HEARTS

Titel: RECKLESS HEARTS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Janket
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erschreckte sie wie ein blitzschneller Springteufel und war doch gleichzeitig das Aufputschmittel, welches sie mit langen Stechschritten die Sonnenallee entlang schreiten ließ.
    Ab heute beginnt die totale Mobilmachung! , erinnerte sie sich schmunzelnd, und unverhofft schossen wieder Tränen in die dunkelsten Augen dieser Nacht. ‚Taxi Driver‘ war der letzte Film, den sie zusammen mit ihrer Mutter an einem wunderschön gemütlichen ‚Popcorn-und-Video-Abend‘ gesehen hatte. Sie hatten noch tagelang darüber gesprochen.
    »DeNiro, Selin, ist Oberliga, der Beste, hörst du!«
    Sie würde nie die blitzenden Augen ihrer Mutter vergessen, wenn sie über Robert DeNiro sprach. In diesem Augenblick sehnte sich Selin voller Trauer nach all den gemeinsamen Jahren, die ihnen versagt geblieben waren. Nannte man das einfach nur Schicksal? Kismet? Oder wie sonst konnte man solche Grausamkeit bezeichnen?.
    Sie vermisste auch ihren Vater. Ganz plötzlich wieder dieses Gefühl: Baba! Sie sah sich im Geiste als kleines Mädchen auf seiner Schulter sitzen, wie er sie oft getragen hatte, wenn sie spät nachts vom Besuch bei Freunden oder Verwandten nach Hause liefen.
    Selin wischte sich mit dem Handrücken schnell die Tränen aus dem Gesicht. Für Sentimentalitäten war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt.
    Ab heute beginnt die totale Mobilmachung , sagte sie sich erneut, diesmal mit der lautesten ihrer inneren Stimmen! ... und lächelte schräg und bitter.
    Sie lief die Sonnenallee entlang, vorbei an zwei alten Pennern, die sich im Eingangsbereich eines Supermarkts herumdrückten, vorbei an einer Dönerbude, vor dem ein paar Jugendliche auf ihre Bestellung warteten und ihr Obszönitäten hinterher riefen: »Hey, Schönheit, willst mal anfassen, hahaha.«
    Stoisch lief sie weiter, ohne zurückzublicken, und bog schließlich in die Weichselstraße, in der sie mit ihren Eltern vor gefühlt hundert Jahren, wie es schien, gewohnt hatte.
    Selin wusste nicht wirklich, was sie hierher getrieben hatte, was sie hier eigentlich zu finden oder zu fühlen hoffte … Vielleicht war sie in ihren alten Kiez zurückgekehrt, um sich von ihrer Kindheit zu verabschieden … einen letzten Blick auf das Haus werfen, in dem sie mit ihrer feinfühligen Mutter und ihrem tüchtigen Vater ein ganz normales, glückliches Leben gelebt hatte, bevor es in einen bösen Albtraum ohne Ende verwandelt worden war.
    Die Antwort war doch ganz leicht.
    Mittlerweile war der Wind noch stärker und eisiger geworden und schnitt ihr scharf ins Gesicht. Die feuchtkalte Luft roch nicht frisch, sondern stank nach einer Mischung aus Abgasen, verschimmeltem Müll und Hundekot.
    Selin spürte, wie die klirrende Winterkälte aus dem Asphalt in ihre Füße kroch und sie hemmungslos in ihre Waden zu beißen begann. Sie steckte die Hände tief in ihre Jackentaschen und ballte sie zu Fäusten, wie sie es immer tat, um ihre innere Anspannung unter Kontrolle zu bringen.
     

August 1980 Irland
     
     
    Sylvie hatte sich einen lang gehegten Traum erfüllt. Sie hatte ein ganzes Jahr auf Sparflamme gelebt und jeden Pfennig, den sie entbehren konnte, für ihren Irland Trip zusammengespart. Sie hatte sich abends, wenn sie von der langen Schicht im Café todmüde nach Hause kam, in ihren vielen Büchern über die grüne Insel schlaugemacht und sich immer wieder die wunderschönen Landschaftsbilder angesehen. Sie hatte sich vorgestellt, wie sie als Rucksacktouristin das Land erkunden würde, und verträumt vor sich hingeseufzt.
    Sylvie hatte sich so sehr auf Dublin gefreut, auf die gemütlichen Pubs und die freundlichen Iren, denen sie viel Sympathie entgegenbrachte. Auch wenn diese Sympathie nur wenig reale Bezüge hatte, war sie doch tief in ihrem Inneren vorhanden und für Sylvie dadurch sehr greifbar. Die anderen Kellnerinnen, mit denen sie zusammenarbeitete, schwärmten von Spanien oder Mexiko und hatten überzogen romantische Vorstellungen von einem Leben in diesen Ländern, am besten noch mit einem heißblütigen Latino, wie sie immer kichernd scherzten. Sylvie konnte diesen Illusionen so gar nichts abgewinnen, sie wollte nur nach Irland, da konnten auch gutgemeinte Bemerkungen über das kühle, kapriziöse Klima keinen Gesinnungswandel herbeirufen.
    Sie liebte die melancholische irische Musik und die emotionale und von Mystik durchwobene Literatur irischer Schriftsteller. Sie hatte alle Wichtigen gelesen, Yeats, Joyce, Wilde, Beckett und, und, und …
    Logisch, dass sie nach Irland

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