RECKLESS HEARTS
wollte.
Sylvie hatte zugegeben einige klischeehafte Erwartungen im Gepäck, aber von dem, was ihr in Irland tatsächlich passieren sollte, hätte sie nie zu träumen gewagt.
Sylvie Böller fand in Dublin ganz unverhofft die Liebe ihres Lebens - und verlor sie genauso unverhofft wieder …
Shane McCaun war der Typ Mann, vor dem Sylvies spröde, vorzugsweise in grauen und beigefarbenen Tönen gekleidete Mutter Agnes sie stets mit hoch erhobenem Zeigefinger und in Sorgenfalten gelegter Stirn eindringlich gewarnt hatte: ein gutaussehender Draufgänger, der sich gerne den leiblichen Genüssen hingab, ein wilder Hedonist, ein Taugenichts, der lieber auf seinem Motorrad durch die Landschaft brauste, als einer vernünftigen Beschäftigung nachzugehen, ein notorischer Schwerenöter eben.
Doch selbst Frauen, die man nicht nur als schön, sondern auch als intelligent bezeichnen würde, verfielen in seiner Nähe in Kleinmädchenposen und grinsten und kicherten unaufhörlich und versuchten seine Aufmerksamkeit durch dümmlich laszive Blickkontakte auf sich zu lenken, ließen ihre Haare fliegen und lachten laut auf, während ihre Röcke höher rutschten.
Sylvie Böller wiederum fiel Männern für gewöhnlich nicht weiter auf. Sie hatte keine auffälligen Reize und kein auffälliges Benehmen. Ihre Schönheit war subtil und verbarg sich hinter einer Nickelbrille, glatten, braunen Haaren, die sie stets hochsteckte, und einer knabenhaften, schlanken Figur, die meistens in einer lockeren Jeans und weiten, einfarbigen Pullovern oder T-Shirts steckte.
Sylvie hatte wenig Erfahrung mit Männern. Sie hatte bisher nur zwei, mehr oder weniger, platonische Beziehungen durchlebt, beides Mal mit einem schüchternen Bücherwurm, wie sie selbst einer war.
Einen Typen wie Shane McCaun hatte Sylvie bisher noch nie kennengelernt. Frauen wie Sylvie lernten für gewöhnlich keine Männer wie Shane kennen! Das war eigentlich ein Naturgesetz.
Als Shane mit seinem blitzblank polierten 74er Norton Commando Motorrad der Extraklasse wie aus dem Nichts neben Sylvie laut knarrend zum Halten kam, sie dabei furchtbar erschreckte, so dass sie reflexartig einen Satz zur Seite sprang und beinah gestolpert wäre, und sie anschließend mit seinen leuchtend blaugrünen Augen schief grinsend ansah und »Hey«, sagte, einfach nur »Hey …«, war Sylvie wie vom Blitz - oder Cupidos Pfeil? - getroffen und gleichsam erstarrt. Unfähig sich zu bewegen oder zu sprechen oder den Blick von ihm abzuwenden, stand sie mit ihrem Rucksack auf dem Rücken und die Finger in den Stadtplan von Dublin gekrallt auf der Merrion Row vor dem O`Donoghue`s Pub und sah aus wie eine schüchterne kleine Touristin, die sich in die falsche Gegend verlaufen hatte.
Shane musste seine Frage dreimal wiederholen, bis Sylvie begriff, dass er … ja er … sie … ja sie! ... auf einen Drink in den Pub nebenan einladen wollte. Sie nickte verwirrt, schob ihre Brille zurecht und ließ sich ab diesem Moment auf ein folgenschweres Abenteuer ein, was sie natürlich nicht im Geringsten ahnen konnte, wie denn auch?
Also sei ihr verziehen ...
Sie tranken Guinness, und Sylvie wurde etwas lockerer und störte sich nicht mehr an den abschätzigen Blicken einiger Frauen, die Shane auffällig freudig begrüßt hatten, als er in den Pub getreten war. Ihr Lächeln hatte sich schnell verflüchtigt, nachdem sie feststellen mussten, dass er ein Weibchen im Schlepptau hatte …
Noch am selben Abend nahm er sie mit zu sich. Warum? Weil sie so anders, so still, so verletzlich wirkte? Weil er eigentlich gut erzogen war und sich auf seine Art bei ihr entschuldigen wollte? Oder doch ohne besonderen Grund?
Wie auch immer.
Er zeigte ihr sein hübsches Häuschen - natürlich ohne zu erwähnen, dass es eigentlich seinen zurzeit verreisten Eltern gehörte - seine beeindruckend große Plattensammlung - inklusive das Original »Them« Debütalbum - und nicht zuletzt, und das mit einem beeindruckenden Engagement, seine konkurrenzlosen, wahren Vorzüge …
Oh, Shane ...
Das Talent, mit seinen Berührungen eine Frau um den Verstand zu bringen, hatten ihm die keltischen Götter mit all ihrer Großzügigkeit in den Schoß gelegt. Den wohlproportionierten, stählernen Körperbau und das feine, schalkhafte Gesicht eines teuflischen Engels jedoch, hatte er von seinen Eltern und Großeltern beiderseits geerbt. So einfach war das, wenn man zum McCaun-Clan gehörte.
Deswegen, also , dachte Sylvie im Liebesrausch von
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