RECKLESS HEARTS
Shane umwickelt … Deswegen macht alle Welt so viel Gewese um diese eine Sache! Und die naive, kleine Sylvie verliebte sich prompt Hals über Kopf, bedingungslos und ohne Sinn und Verstand, wie ihre Mutter Agnes sagen würde, in diesen irischen Prachtburschen, denn Shane war für Sylvie schlichtweg der Traumprinz aus ihren rosaroten Märchen und so … so unvermeidlich …
Man könnte es also durchaus Fügung nennen.
Auf Shanes Motorrad sah Sylvie mehr von Irland, als sie es auf eigene Faust je geschafft hätte. Er fuhr sie kreuz und quer durch die schönsten Landschaften, checkte mit ihr in den verschiedensten Unterkünften ein und aus und bestand darauf, dass alles auf seine Rechnung ging. Er gab ihr mit jeder zärtlichen Berührung und mit jedem durchdringenden Lächeln das Gefühl, ein Märchen zu erleben und wirklich und wahrhaftig geliebt zu werden.
Shane McCaun jedoch liebte Sylvie so, wie er alle seine Frauen liebte: … gönnerhaft, leidenschaftlich, unverbindlich und flüchtig wie der irische Sommer.
Am Tag vor Sylvies Rückflug nach Berlin fuhren sie nach Galway an die Westküste und verbrachten den Tag am Strand, wo sie sich an der Natur und am mitgebrachten »Gras« erfreuten, viel lachten und über Gott und die Welt philosophierten. Irgendwann saßen sie auf einer Klippe und blickten aufs Meer hinaus und dann sagte Sylvie, dass sie ihn liebe … ach, Sylvie, Sylvie … und erhielt statt einer Antwort, einen langen heißen Kuss. Und später, auf der Heimfahrt, wollte sie auch noch wissen, wie es mit ihnen weitergehen würde, wenn sie wieder in Berlin wäre, und dass sie ihn wiedersehen müsse, doch Shane lächelte nur verkrampft und versprach ihr, sie würden telefonieren und dann weiter sehen, sie solle jetzt doch nur den Augenblick genießen.
In diesem Moment keimte in Sylvie erstmalig ein quälender Gedanke auf, eine tiefgreifende Angst, ihn zu verlieren, sobald sie ihm aus den Augen treten würde, aber sie verdrängte das erschreckende Gefühl mit aller Macht und ließ sich von ihm an ihrem letzten gemeinsamen Abend ins Kino ausführen, wo sie »An American Werewolf in London« sahen und Sylvie sich vor köstlichem Grusel und mit der neu entfachten Lust an seine Brust schmiegen konnte. Später liebte er sie unter der Dusche - genau so, wie sie es im Kino gesehen hatten - und Sylvie war berauscht und betrunken von seinem Charisma und schlief in dieser Nacht kaum, nur um ihn beobachten und die Wärme seiner Haut spüren zu können.
Am nächsten Tag ließ er es sich nicht nehmen, Sylvie zum Dubliner Flughafen zu fahren, wo er sich mit vielen Küssen und Umarmungen und wenig Worten von ihr verabschiedete.
Sylvie schaffte es nur mit großer Willensanstrengung, ihre Tränen der Verzweiflung zurückzuhalten, die unweigerlich in ihr zu einem kleinen Stausee angeschwollen waren. Der Gedanke, ihn bald nicht mehr sehen, hören, ihn zärtlich berühren, an seiner Haut schnuppern und seine Lippen schmecken zu können, war mörderisch, die Sehnsucht nach seiner Nähe jetzt schon unerträglich. Sie wusste, sie würde es ohne Shane nicht lange aushalten können, und sobald sie wieder in Berlin wäre, musste sie sich neu orientieren und die richtigen Entscheidungen treffen, damit sie ihr Glück behalten und ein erfülltes Leben haben konnte, wie in den romantischen Liebesgeschichten, die sie haufenweise verschlungen hatte. Ein Leben, wie es auch ihr zustehen sollte, voller Geborgenheit und großen Gefühlen ...
Als Sylvie nach vier Wochen Irland ihre klitzekleine Wohnung in Kreuzberg aufschloss, schlug ihr die vertraute Einsamkeit zur Begrüßung mit der geballten Faust mitten ins Gesicht. Leider gab es keine beste Freundin, die sie hätte anrufen können, um von ihren unfassbaren Erlebnissen zu berichten. Die einzige weibliche Bezugsperson von Bedeutung war ihre Mutter, und die war so ganz und gar nicht die Richtige für Sylvies Shane-Geschichte. Sie hatte auch keinen schwulen Busenfreund, der ihr hätte seine Aufmerksamkeit schenken und gute Ratschläge erteilen können, und nicht mal eine nette Nachbarin für einen kurzen, oberflächlichen Kaffeeklatsch.
Sylvie setzte sich still und reglos auf ihr Bett und fühlte sich einer entsetzlichen Mischung aus Trauer, Glück, Sehnsucht und Angst ausgesetzt, die sie so noch nie in ihrem Leben gefühlt hatte. Sie war nicht imstande zuhause anzukommen. Ihr Rucksack stand in einer Ecke ihres Schlafzimmers und starrte sie vorwurfsvoll an, und Sylvie
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