RECKLESS HEARTS
er blieb stumm. »Sag was, bitte!«
Sein Blick wanderte gedankenversunken aus dem Fenster zu dem einzigen blauen Streifen am Himmel.
»Schnell und zivilisiert!«, wiederholte er nun mit zuckendem Mundwinkel voller Missmut, als wäre ein solcher Wunsch der blanke Hohn.
Er seufzte in sich hinein.
»Ich versuch‘s«, sagte er schließlich, leise, ohne sie dabei anzusehen, weil er nicht wusste, ob es nicht doch eine Lüge war. »Ich weiß, ich hab‘s verbockt, Annie.« Jetzt kniff er die Augen zusammen und drückte die Tränen zurück, die kommen wollten.
»Nein, Shane«, widersprach sie schnell. »Du hast es versucht, und ich hab es auch versucht. Wenn überhaupt, dann haben wir es beide verbockt. Wir hätten uns schon viel früher trennen müssen.«
»Und warum hast du es dann nicht getan?«
»Ich schätze, ich hab dich zu sehr geliebt«, behauptete sie.
»Und das tust du nicht mehr?«
Annie senkte den Blick. »Nein. Und du brauchst dich nicht mehr verpflichtet fühlen.«
»Deine Ehrlichkeit hab ich immer zu schätzen gewusst, aber ich wünschte, du würdest mich anlügen«, sagte er mit rauer Stimme.
»Das kann ich nicht!«
»Ich weiß.«
»Leb wohl, love.«
»Werden wir Freunde bleiben?«, wollte er unsinnigerweise wissen, obwohl er die Antwort kannte.
Sie antwortete nicht.
»Ach ja, du willst einen glatten Schnitt! Das klingt, als ginge es um eine Amputation, wenn du mich fragst.«
Verstimmt drehte sie den Kopf zur Seite.
Sofort hob er entschuldigend die Hand in die Höhe. »Sorry, ich wollte das nicht sagen. Ich bin ein Idiot, und du hast vollkommen recht, dass du dich von mir trennen willst.«
»Shane?« Sie sah ihm tief in die blaugrünen Augen, die sie für den Rest ihres Lebens nicht vergessen würde.
»Warte nicht darauf, dass etwas Tolles in deinem Leben passiert! Das ist arrogant! Du bist ein toller Typ, Shane McCaun! Aber du musst anfangen, Verantwortung für dein Leben zu übernehmen ... und ich ... ich muss aufhören, mich selbst herunterzuziehen, weil ich dich nicht glücklich machen kann!«
»Schon komisch, zu sagen, ich sei ein toller Typ und mich dennoch zu verlassen, Annie.« Er ließ ein schiefes Lächeln über seine Lippen huschen.
»Es ist nur folgerichtig«, sagte sie tonlos, der Mund zu einem Strich verkniffen.
»Ist es, weil ich es nicht zu mehr gebracht habe, als der Touristen-Kutscher meiner Eltern zu werden?«, fragte er bewusst provokativ. Seine Lider flatterten.
Die Augen starr aufgerissen schüttelte sie energisch den Kopf. »Warum sagst du das? Du weißt, dass mir dein Job nie etwas ausgemacht hat! Er passt zu dir, und du machst ihn gut. Nicht jeder Mensch muss studieren oder eine Ausbildung machen.«
Einige der Gäste spähten immer wieder neugierig zu den beiden, wohl in der Hoffnung, es könnte vielleicht noch eine schöne Szene geben, die den drögen Klinikalltag etwas aufpeppen würde.
»Dann sagen wir uns jetzt goodbye und das war‘s dann, Annie?«
Sie nickte betrübt, erhob sich und wartete, dass auch er aufstand. Schwerfällig kam er auf die Beine und zögerte nur kurz, als sie einen Schritt auf ihn zu tat und ihre Arme für ihn öffnete. Sie drückte ihn fest an sich, legte kurz ihren Kopf auf seiner Schulter ab und verharrte in dieser innigen Position.
Ein letztes Mal atmete Shane ihren Duft ein, spürte ihren vertrauten Körper an seinen gepresst und wusste, es war vorbei. Er hatte sich schon oft gefragt, was er ohne sie tun würde. Jetzt würde es sich zeigen, ob er wollte oder nicht. Zum ersten Mal seit dem Unfall war er ganz allein auf sich gestellt.
Als sie sich aus ihrer Umarmung gelöst hatten, lief er als Erster davon, lief durch die Korridore und strebte zum Ausgang. Er wollte nicht eine Minute länger in dieser verhassten Klinik bleiben.
Sein Motorrad heulte und knatterte durch das verregnete Dublin und hielt vor dem O`Donoghue`s. Er blieb noch eine Weile nachdenklich sitzen, stützte die Ellbogen auf dem Lenker ab und wartete ... auf was? Eine Eingebung?
Shane wusste es nicht.
Jemand öffnete die Tür des Pubs, eine junge Rothaarige mit einem breiten Lächeln. »Hey, Shane, alle warten, dass du reinkommst!«
Er drehte den Kopf zu ihr und lächelte schief. Sein Lächeln war noch immer wirkungsvoll, ließ weibliche Wangen erröten und in manchen Höschen sogar zaghafte Hoffnungen aufkommen. Zufrieden verschwand die Rothaarige hinter der Tür.
In diesem Augenblick spürte Shane ganz deutlich, wie seine Zukunft ihn um eine Chance
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