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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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das? Du wirst sehen, sie wird sehr gut ohne dich zurechtkommen . Aber er würde es nicht sehen.
    Er zog das Päckchen aus dem Rucksack, das Chanute ihm gegeben hatte. »Du hast mir gar nicht erzählt, dass du einen reichen Verehrer in Schwanstein hast.«
    Fuchs schlug das Papier auseinander und lächelte. Es war ein Schultertuch darin. Sie strich über den grünen Samt und legte das Tuch zu der Feder.
    »Was ist mit dir?« Sie sah ihn fragend an. »Hast du gefunden, was du gesucht hast?«
    »Ja und nein.«
    »Was heißt das?« Sie zog den Ärmel über die bandagierte Schulter. »Willst du mir endlich verraten, wonach du suchst?«
    Heraus damit, Jacob. Du willst es ihr doch sagen. Sie ist die Einzige, der du es sagen willst. Er hatte sie so vermisst. Und er war es leid, seine Angst zu verstecken.
    Er knöpfte das Hemd auf.
    »Ich hab nach einer Medizin gesucht.«
    Der rote Saum, der die Motte umgab, sah aus, als hätte jemand sie mit frischem Blut umrahmt.
    Fuchs holte tief Luft. »Was bedeutet das?« Ihre Stimme klang noch heiserer als sonst.
    Sie las ihm die Antwort vom Gesicht ab.
    »Also das war der Preis.« Sie gab sich Mühe, gefasst zu klingen. »Ich wusste, dass dein Bruder seine Haut nicht umsonst zurückbekommen hat.« Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Die Augen der Füchsin, braun wie angelaufenes Gold. Sie wusste nicht, ob es die Augenfarbe war, mit der sie geboren worden war, oder ob erst das Fell sie ihr gegeben hatte.
    »Welche Fee war es?«
    Sag etwas, Jacob. Irgendetwas, das sie tröstet. Aber was?
    Er trat auf sie zu und wischte ihr die Tränen von der Wange. »Es stand schon immer der Tod darauf, eine von ihnen zu verlassen, und ich hab es mir gleich mit zweien verdorben.«
    Fuchs schlang die Arme um ihn.
    »Wie lange noch?«, flüsterte sie.
    »Ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr.« Es war nur eine halbe Lüge. Jacob vergrub das Gesicht in ihrem Haar. Er wollte nicht mehr denken. Er wollte die Zeit zurück, in der er mit ihr nach verlorenem Zauber gesucht und in dem Gefühl gelebt hatte, dass er unsterblich und Besitzer einer ganzen Welt war. Er wollte sich ausmalen, was er tun würde, wenn er so alt wie Chanute war, davon träumen, ein Schloss in Etrurien zu kaufen oder Piratengold aus dem Weißen Meer zu fischen. Kindische Träume. Er hatte gehofft, sie auch noch an seinem hundertsten Geburtstag zu haben. Stattdessen würde er sich überlegen müssen, in welcher Welt er begraben sein wollte.
    Es klopfte an der Tür.
    Valiant wartete nicht auf ein Herein. Fuchs löste sich aus Jacobs Umarmung, als der Zwerg ins Zimmer trat. Valiants Fantasie beflügelte das sicher nur, aber Jacob hatte nicht vor, ihm den wahren Grund für ihre Tränen zu verraten.
    »Wie wär’s mit Abendessen?« Valiant schenkte ihm ein anzügliches Lächeln. »Es gibt Gämse. Ich weiß, das klingt nicht allzu verlockend, aber ich habe einen Koch aus Vena, der selbst aus einem Esel ein Festmahl macht!« Er wies auf Fuchs. »Frag sie, wenn du mir nicht glaubst!«
    Fuchs zwang sich ein Lächeln auf die Lippen.
    »Du solltest die Gämse probieren«, sagte sie.

10
TIEF GEGRABEN
    V aliants Speisesaal war ebenso zugig wie der Rest seiner Burg, und Fuchs war dankbar für die Jacke, die Jacob ihr um die Schultern legte. Gegen die Angst half sie allerdings genauso wenig wie das Kaminfeuer, das Valiants Diener mit feuchtem Holz fütterten.
    Tisch, Stühle, Teller, Gläser, selbst das Besteck hatte Menschenmaß, aber die Stühle waren mit Leitersprossen versehen, damit der Zwerg sie ohne die Peinlichkeit ersteigen konnte, sich von einem Diener hinaufheben zu lassen. Valiant war bester Stimmung und zum Glück hielt er Jacobs Schweigsamkeit für eine Folge von Reisemüdigkeit.
    Du wirst ihn verlieren, Fuchs.
    Die Worte legten ihr einen eisernen Ring ums Herz.
    Sie schämte sich dafür, geglaubt zu haben, dass er wegen Clara so lange fortgeblieben war. Sie hätte ihn besser kennen müssen nach all den Jahren. Aber sie war so müde gewesen – all die hilflose Liebe, das Begehren, die Sehnsucht nach ihm. Es hatte gutgetan, Schwanstein den Rücken zu kehren und eine Weile allein zu sein, die eigene Kraft zu spüren. Glücklich zu sein ohne ihn. Es tat nicht gut, zu sehr zu lieben, schon gar nicht jemanden, der das Gefühl für nichts als einen Rausch hielt, den man irgendwann ausschlief und vergaß. Ein paarmal hatte sie sogar mit dem Gedanken gespielt, einfach nicht nach Schwanstein zurückzukehren. Aber nun war alles anders. Wie

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