Reckless - Lebendige Schatten
jedem Hexenfriedhof einen Stein fand, der ihn verfluchte.
»Kannst du mich zu der Gruft bringen?«
Valiant schwärmte gerade von dem hervorragenden Profit, den man mit Kriegen machen konnte, aber Jacobs Frage ließ ihn abrupt verstummen. Der Zwerg verzog den Mund zu einem so hämischen Lächeln, dass der lächerliche Schnurrbart sich über seine Goldzähne schob. »Also doch. Du hattest mich fast davon überzeugt, dass du ein Gewissen hast. Letztlich geht es nur ums Geschäft, stimmt’s?«
Jacob nahm ihm das Glas aus der Hand. »Kannst du mich hinbringen? Ich brauche eine Antwort, bevor du dich vom Stuhl trinkst.«
Valiant entwand ihm das Glas. »Wem willst du das Ding verkaufen? Den Goyl? Oder willst du zur Abwechslung einen Menschenkönig mit deiner Hilfe beglücken und so wiedergutmachen, was du für die Steingesichter in der Kathedrale getan hast? Jacob Reckless, der Schatzjäger, der entscheidet, wer diese Welt regiert.«
Jacobs Gesicht wurde noch etwas blasser. Er erinnerte sich nicht gern an die Blutige Hochzeit und an die Rolle, die er dabei gespielt hatte. Seine Stimme klang heiser vor Ärger, als er dem Zwerg antwortete.
»Ich habe nicht den Goyl, sondern meinem Bruder geholfen.«
Valiant verdrehte spöttisch die Augen. »Ja, ich weiß. Du bist ein Heiliger. Du solltest trotzdem froh sein, dass die Goyl geheim halten, wer ihnen bei der Bluthochzeit die steinerne Haut gerettet hat. Sie sind verhasster denn je. Die Anschläge in Vena sind nichts gegen den Ärger, den sie in ihren nördlichen Provinzen haben. In Prussia und Holstein sind Attentate an der Tagesordnung, und Albion beliefert die Rebellen mit Waffen. Die Welt ist ein Pulverfass. Das Geschäft mit Sprengstoff und Munition war nie besser. Feenlilien und Hexennadeln …«, der Zwerg grunzte verächtlich, »Handelsgüter von gestern! Waffenhandel. Das ist die Zukunft. Und Zwergenhände bauen sehr handliche Bomben!«
Sein Lächeln war so verzückt, als blickte er geradewegs ins Paradies.
»Was ist in dieser Gruft?« Fuchs sah Jacob fragend an.
Valiant fuhr sich mit der Serviette über den weinfeuchten Schnurrbart.
»Die tödlichste Armbrust, die je gebaut wurde.« Seine Zunge wurde mit jedem Wort schwerer. Fuchs musste sich Mühe geben, um die gelallten Worte zu verstehen. »Ein Pfeil in die Brust des Generals und die ganze Armee ist ein Berg von Leichen. Nicht schlecht … selbst die Goyl haben nichts Vergleichbares.«
Fuchs blickte Jacob verständnislos an. Was sollte das? Wollte er die Zeit, die ihm blieb, mit irgendeiner Schatzsuche vertun?
»Mein Anteil ist fünfzig Prozent«, sagte Valiant. »Nein … sechzig. Oder du kannst es vergessen.«
»Ich geb dir fünfundsechzig«, sagte Jacob. »Wenn wir morgen früh aufbrechen.«
11
GEMEINSAM
E lfenstaub und Rotwein. Als Jacob Fuchs in ihr Zimmer hinaufbrachte, redete Valiant mit den Bildern an den Wänden, die Füße auf seinem viel zu großen Tisch, in seinem viel zu großen Stuhl, in seiner lächerlich großen, zerfallenden Burg. Sie alle jagten ihre Kinderträume.
Fuchs schmerzte die Schulter, auch wenn sie versuchte, es zu verbergen, und Jacob fand unten in der Küche einen gähnenden Diener, der ihm eine Schüssel Wasser heiß machte. Der Schnabel eines Menschenschwans war nicht die sauberste Waffe, also bestrich er die Wunde zusätzlich mit der Salbe, die Alma ihm angerührt hatte.
Bisse, Messerwunden, verbrannte Finger … Fuchs wusste sicher ebenso wenig wie er, wie oft sie einander in all den Jahren verarztet hatten. Ihr Körper war Jacob fast so vertraut wie der eigene, aber inzwischen ertappte er sich dabei, dass er sie mit Scheu berührte. Sie gehörte zu ihm wie sein Schatten. Jüngere Schwester, beste Freundin. Jacob liebte sie so sehr, dass die andere Liebe wie etwas erschien, vor dem er sie beschützen musste: das hungrige Spiel, das man besser beendete, bevor es allzu ernst wurde. Er wünschte, er hätte diese Regel bei der Fee beachtet.
Fuchs sprach kein Wort, während er ihr die Schulter frisch verband. Oft war ihr Schweigen Ausdruck der wortlosen Vertrautheit, die sie miteinander verband. Aber nicht diesmal. Jacob öffnete das Fenster und goss das blutige Wasser in die Nacht. Ein paar Schneeflocken wehten herein.
Fuchs trat an seine Seite und fing sie mit der Hand.
»Was hast du vor? Willst du die Armbrust bei der Dunklen Fee gegen dein Leben eintauschen?« Sie lehnte sich aus dem Fenster und atmete die kalte Luft ein, als könnte sie ihre Angst
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