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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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vertreiben.
    »Ein paar Hunderttausend Tote für meine eigene Haut? Seit wann hast du so eine schlechte Meinung von mir?«
    Sie blickte ihn an. »Für deinen Bruder hättest du es getan. Du hättest alles für ihn getan. Warum nicht für dich selbst?«
    Ja, warum nicht, Jacob? Weil er mit der Gewissheit aufgewachsen war, dass Wills Leben kostbarer als das seine war? Was auch immer.
    »Ich habe nicht vor, die Armbrust einzutauschen oder zu verkaufen«, sagte er. »Der Hexenschlächter hat sie dreimal benutzt. Der erste Pfeil tötete einen General Albions. Er nahm fünfzigtausend Männer mit in den Tod. Der zweite tötete den kommandierenden General Lothringens und siebzigtausend Soldaten. Ein paar Wochen später ließ Guismund sich zum König beider Länder krönen.«
    Fuchs streckte die Hand hinaus in den Schnee.
    »Ich glaube, ich weiß, wie es weitergeht. Ich hatte die Geschichte vergessen. Sie hat mir immer Angst gemacht.«
    Die Flocken säten ihr Eisblüten auf die Haut. »Eines Tages …«, sie sprach die Worte in die Nacht, als finge sie sie aus der Dunkelheit, »… lag Guismunds jüngster Sohn im Sterben. Gahrumet. Ich glaube, das war sein Name. Eine Hexe hatte ihn vergiftet, um sich an seinem Vater zu rächen, nachdem er Hunderte ihrer Schwestern getötet hatte. Sein Sohn hatte so furchtbare Schmerzen, dass Guismund es nicht mehr ertrug. Er schoss ihm den Pfeil der Armbrust ins Herz, aber sein Sohn starb nicht, sondern war geheilt. Später soll er seinen Vater gehasst haben, aber er lebte noch viele Jahre.«
    Sie schloss das Fenster und wandte sich um. »Es ist nichts als ein Märchen, Jacob.«
    »Und? Alles in dieser Welt klingt wie ein Märchen. Es wird mich umbringen, dass ich den Namen einer Fee ausgesprochen habe!«
    Er trat auf sie zu und wischte ihr die Schneeflocken vom Haar. »Warum soll es nicht eine Waffe geben, die den Tod bringt, wenn sie aus Hass benutzt wird, aber das Leben, wenn es aus Liebe geschieht?«
    Fuchs schüttelte den Kopf. »Nein.«
    Sie wussten beide, wer den Pfeil würde abschießen müssen.
    Jacob griff nach ihren Händen.
    »Du hast Valiant gehört: Keiner kommt lebend aus der Gruft zurück. Du weißt, wir würden es schaffen. Oder sollen wir lieber zusammen darauf warten, dass mich der Tod holt?«
    Was sollte sie darauf sagen?

12
LEBENDE SCHATTEN
    D em Bergtal, in dem die Zwerge die Gruft gefunden hatten, sah man nicht an, dass es einmal für seine blütenbedeckten Hänge berühmt gewesen war. Durch Spiegleinblumen wurde selbst das hässlichste Gesicht für ein paar Stunden unwiderstehlich, doch der Verkauf von Eisenerz machte wesentlich schneller reich.
    Das Tal lag in den schroffen Bergen Helvetias, knapp eine Tagesreise westlich von Valiants Burg. Helvetia war so klein, dass es viel Mühe und Gold darauf verwandte, seine mächtigen Nachbarn freundlich zu stimmen. Es hatte einmal zu Lothringen gehört, aber durch eine Söldnerarmee von Riesen seine Unabhängigkeit erkämpft. Seit ein Stilz den einzigen Sohn des letzten Königs gestohlen hatte, wurde das winzige Land von einem Parlament regiert, das Frieden mit den Goyl hielt, indem es ihnen gestattete, Truppen durch seine Berge zu transportieren. Auf Jacobs Frage, wie viel die Zwerge für die Erlaubnis bezahlt hatten, Erzminen in Helvetias blühenden Tälern zu betreiben, hatte Valiant nur mitleidig gelächelt. Das Land brauchte Tunnel, wenn es wie seine Nachbarn Züge und schnellere Straßen wollte. Und niemand sprengte sie besser als die Zwerge.
    Jacobs Stiefel versanken im Schnee, als er aus Valiants Droschke stieg. Den Hütten, die sich um die Minengebäude duckten, sah man nicht an, dass hier ein Vermögen aus der Erde geschürft wurde, und der Rauch, der aus den Schornsteinen stieg, schrieb eine schmutzige Zukunft an den Himmel.
    Vor den Käfigen, die in den Schoß der Erde fuhren, wartete eine Schar Zwergenkinder. Sie konnten tiefer in die Schächte kriechen als jeder Mensch und fürchteten sich nicht vor den Minenwichten, die den Bergbau hinter dem Spiegel noch gefährlicher machten als in der anderen Welt.
    »Ist es das, was du neuerdings unter einem guten Geschäft verstehst?«, fragte Jacob den Zwerg, während sie an den blassen Knirpsen vorbeigingen. »Kinder, die nach Erz graben?«
    »Und? Sie würden es auch ohne mich tun«, gab Valiant ungerührt zurück. »Das Leben ist eine hässliche Angelegenheit!«
    Fuchs musterte die Frauen, die die Tender entluden, mit denen das Erz aus den Schächten heraufkam.

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