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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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Jacobs Welt in einem Museum gestanden, aber Valiant präsentierte sie stolz als modernste Blüte zwergischer Ingenieurskunst. Der Steinbohrer hatte in der Felswand einen Torbogen freigelegt, hinter dem eine breite Treppe, gesäumt von ausgebrannten Fackeln, steil in die Tiefe führte. Ihr Ruß klebte immer noch an den eisernen Halterungen. Am Ende der Treppe öffnete sich eine weite Kammer. Ein paar verlorene Gaslampen zeichneten einen bleichen Teich aus Licht auf den felsigen Boden, in dessen Mitte ein Riesling schlief. Er trug die Uniform der Zwergenarmee und kam erst taumelnd auf die Füße, als Valiant ihn unsanft in die Seite trat.
    »Nennst du das Wache stehen?«, fuhr der Zwerg ihn an. »Wofür zahlen wir euch dreimal mehr als jedem Menschenwächter?«
    Der Riesling hob seinen Helm auf und nahm eingeschüchtert Haltung an, obwohl Valiant ihm kaum bis zur Kniescheibe reichte.
    »Keine Vorkommnisse!«, stammelte er mit schlafschwerer Zunge. »Ich habe Order, niemanden …«
    »Ja, ja, ich weiß!«, unterbrach Valiant ihn ungeduldig. »Aber ich bringe einen weit gereisten Experten. Hier ist seine Vollmacht.«
    Der Umschlag, den er aus der Tasche zog, war so klein, dass die plumpen Finger kaum danach greifen konnten, und Valiant zwinkerte Jacob verschwörerisch zu, als der Riesling das winzige Ding ratlos musterte.
    »Was?«, fuhr Valiant ihn an. »Sieh mich an! Ich weiß, für euch sehen alle Zwerge gleich aus, aber an mein Gesicht solltest du dich besser erinnern. Ich bin einer der Besitzer dieser Mine.«
    Der Riesling unterdrückte ein Gähnen und rückte sich den Helm zurecht. Dann schob er den winzigen Umschlag in die Uniformtasche und machte einen Schritt zur Seite. Die Tür, die hinter seinem massigen Körper sichtbar wurde, umgab ein Fries von Schädeln. Die Schlitze über den Nasenwurzeln wiesen sie als die von Hexen aus.
    Guismund, der Hexenschlächter … Chanute hatte Jacob in einem verlausten Wirtshaus von ihm erzählt. Er war so betrunken gewesen, dass er den Namen kaum über die Zunge gebracht hatte. ›Guismund … ja … kein Mensch verstand je mehr von Zauberei. Weißt du, wie sie ihn auch genannt haben?‹ Jacob glaubte, seine eigene Stimme antworten zu hören, die helle Stimme eines Jungen: ›Den Hexenschlächter.‹ Alles, weswegen er dem alten Schatzjäger folgte, hatte an dem Namen geklebt: Gefahr, Geheimnis und die Verheißung auf verwunschene Schätze, die das Leben vergoldeten, das auf der anderen Seite des Spiegels nach Langeweile und Sehnsucht schmeckte.
    Chanute hatte Jacob schon damals nicht erklären müssen, wie Guismund zu seinem Beinamen gekommen war. Menschen wurden auf keiner Seite des Spiegels mit Zauberkräften geboren, aber in dieser Welt gab es einen Weg, sie sich anzueignen. Es war ein grausamer Weg, doch Guismund war nicht der einzige Mensch, der ihn gegangen war: Man trank das Blut einer Hexe, wenn es noch warm war. ›Wie viele Hexen hat er getötet?‹ Chanute hatte sich das Glas noch einmal mit dem beißenden Schnaps gefüllt, der ihn fast den Verstand und einen Arm gekostet hatte. ›Was weiß ich? Hunderte. Tausende … Niemand hat sie gezählt. Er soll jede Woche einen Becher Blut getrunken haben.‹
    Jacob musterte die Reste des Wappens, das auf der mit Gold beschlagenen Tür zu erkennen war: ein gekrönter Wolf, ein Becher mit Blut, und da war die Armbrust …
    Hinter ihnen lehnte sich der Riesling gegen die Felswand.
    Fuchs warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. »Euer Wächter ist verdächtig schläfrig«, sagte sie zu Valiant.
    »Elfenstaub«, gab der Zwerg zurück. »Die großen Dummköpfe haben ihn ständig in den Taschen. Es ist ihnen einfach nicht abzugewöhnen.«
    Jacob lauschte, aber alles, was er hörte, war das schwere Atmen des Rieslings. Elfenstaub? Vielleicht. Er zog ein Paar Handschuhe aus der Tasche. Fuchs hatte sie ihm geschenkt, nachdem die Schutzzauber einer Gruft ihn fast die Finger gekostet hätten. Sie selbst war wie alle Gestaltwandler gegen solche Zauber immun.
    Valiant aber sah Jacob beunruhigt an. »Wozu sind die Handschuhe?«
    »Solange du nichts berührst, brauchst du sie nicht. Du willst allen Ernstes mitkommen?«
    »Sicher.« Der Zwerg klang nicht sonderlich überzeugt, aber es ging um sehr wertvolle Beute. Das wog selbst die Angst vor einem toten Hexer auf.
    Jacob wechselte einen Blick mit Fuchs und stemmte die Hand gegen den gekrönten Wolf. Er musste nicht allzu viel Kraft aufwenden, um die Tür zu öffnen. Man spürte,

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