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Reckless - Lebendige Schatten

Reckless - Lebendige Schatten

Titel: Reckless - Lebendige Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Funke
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sie.
    Ja, wahrscheinlich. Jacob stellte die Lampe auf den Boden und zog das Messer. Das Harz, mit dem er die Klinge bestrich, mischte den Geruch von Baumrinde in die abgestandene Luft. Neben ihm wechselte Fuchs die Gestalt. Manchmal waren die Sinne der Füchsin hilfreicher als eine zusätzliche Pistole. Vergiss, dass es um dein Leben geht , Jacob. Genieß die Jagd . Da war sie wieder: die vertraute Erregung, vermischt mit Angst und der Lust, sie zu besiegen. Unwiderstehlich. Fuchs hatte er das nie erklären müssen. Sie schob sich noch vor ihm durch die Tür.
    Die Gruft war gewaltig.
    Die Fresken an den Wänden leuchteten dank der Dunkelheit, die sie seit ihrer Entstehung umgab, immer noch in satten Farben. Es waren Darstellungen der Hölle, so meisterhaft gemalt, dass man das Feuer auf der Haut zu spüren glaubte. An einer Wand ritt Guismund selbst in der Rüstung eines Ritters durch die Flammen. Der Teufel, auf den er zuritt, hatte mit den Teufeln, die Jacob aus seiner Welt kannte, nur die Hörner gemein. Ansonsten sah er aus wie ein gewöhnlicher Mensch in den Kleidern eines reichen Händlers. Die Fresken an der Decke zeigten ein Schlachtfeld, auf dem die Geister der Toten sich in bleicher Prozession von ihren leblosen Körpern entfernten. Die Säulen, die die Decke stützten, waren aus dem gleichen dunklen Marmor wie der Sarkophag, der in der Mitte der Gruft stand. Vier steinerne Ritter knieten um ihn herum, die Schwerter, auf die sie sich stützten, schwarz wie der Sarg, den sie bewachten.
    Jacob hörte, wie Valiant hinter ihm einen enttäuschten Fluch ausstieß.
    Der Sarkophag stand offen.
    Sie kamen zu spät.
    Jacob blickte sich zu Fuchs um. Man sah ihr nicht leicht an, was sie fühlte, wenn sie das Fell trug, aber er hatte es mit den Jahren gelernt. Die Verzweiflung, die er in ihren Augen sah, war schlimmer als die eigene. Die Hoffnung, dass er sich vielleicht doch noch würde retten können, hatte nicht lange gewährt.
    Der Deckel des Sarkophags lag zertrümmert zwischen den knienden Rittern. Neben den Bruchstücken lag der Wächter, für den Jacob sein Messer präpariert hatte: Guismunds Schatten, gesichtslos und so groß, als hätte ihn die Abendsonne auf die Fliesen geworfen. Die Lache aus Blut, die ihn umgab, bewies, dass er mit einem Zauber zum Leben erweckt worden war, den nur Hexen beherrschten – oder die, die ihr Blut tranken.
    Ein solcher Schatten mordete ebenso lautlos, wie er seinem Herrn im Leben gefolgt war. Jacob beugte sich über ihn. Im Hals steckte ein Messer. Es roch nach Baumharz. Machte man den Fehler, es herauszuziehen, erwachte der Schatten sofort wieder zum Leben. Wer immer ihn getötet hatte, hatte auch das gewusst. Jacob richtete sich auf. Für einen Moment glaubte er, Schritte zwischen den Säulen zu hören, aber als er sich umwandte, stand nur die Füchsin hinter ihm.
    »Elfenstaub!« Sie warf Valiant einen verächtlichen Blick zu.
    Jacob beugte sich zu ihr herab. »Ist er noch hier?«
    Sie hob witternd die Schnauze. Und schüttelte den Kopf.
    Verdammt. Jacob schob das Messer zurück in den Gürtel. Nicht viele Schatzjäger wussten, wie man unversehrt an einem Riesling vorbeikam oder welches Harz den Schatten eines Toten unschädlich machte. Bei der Jagd gingen sie einander meist aus dem Weg, aber Jacob kannte sie alle, zumindest dem Namen nach. Wer war es gewesen?
    »Verdammter Dreckskerl.« Valiant stand auf den Trümmern des Sargdeckels und starrte in den offenen Sarkophag. »Die Krone hat er sich auch geholt!«, schimpfte er. »Und wer hat ihm gesagt, dass er das Herz rausschneiden soll? Handeln die Graubärte im Zwergenrat neuerdings mit dunklen Hexen?«
    Der Tote in dem Sarkophag war unverwest, doch ihm fehlten die rechte Hand und der Kopf, und dort, wo das Herz gesessen hatte, klaffte ein Loch in der Brust. Die Wunde war wie Hals und Armstumpf mit Gold versiegelt, was bewies, dass die Leiche so in den Sarg gelegt worden war. Valiant streckte die Hand nach dem Zepter aus, das neben ihr lag, aber Jacob zog ihn unsanft zurück. »Siehst du die welken Blätter, auf denen er liegt? Sie sind verhext, oder warum, glaubst du, ist er unverwest?«
    Er blickte sich um. Der Boden der Gruft war mit grünem Marmor gefliest, aber von den Säulen liefen vier Streifen aus Alabaster wie die Strahlen eines Kompasses auf den Sarg zu. Jacob nahm die Grubenlampe, die der Zwerg neben dem Sarg abgestellt hatte, und schritt an einem der Alabasterstreifen entlang. Es waren Buchstaben aus Weißgold

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