Reckless - Lebendige Schatten
hitziges Temperament, wenn er es nicht mit Elfenstaub oder Wein betäubte. Aus einem der Schädel, die die Säule neben ihm verkleideten, kroch ein handgroßer Gnom. Eaumbre packte ihn, bevor er Louis biss.
»Ein Gelbfollet!« Lelou zerrte seinen Schützling hastig zurück. »Leicht zu verwechseln mit Hausfollets, aber …« Ein Blick von Nerron beendete den Vortrag.
Knack.
Der Wassermann hängte die Leiche des Follets in die Spinnweben, die zwischen den Säulen Staub und Fliegen fingen. »Wenn man einem den Nacken bricht, ist das den anderen eine Warnung«, flüsterte er.
Lelou übergab sich zwischen den Knochen, aber Louis starrte fasziniert auf die kleine Leiche, und Nerron glaubte, eine Spur von Grausamkeit in dem schwammigen Gesicht zu entdecken. Keine unpraktische Eigenschaft für einen künftigen König.
»Na dann. Viel Spaß beim Suchen.« Louis warf Lelou einen Schädel gegen die Brust und lachte, als der Käfer zurückstolperte. »Du bleibst auch hier!«, wies er den Wassermann an. »Ich brauche keinen Wachhund, um mich zu betrinken, und dein hässliches Gesicht verschreckt die Mädchen.«
Er wandte sich um, aber Eaumbre trat ihm in den Weg.
»Es ist der Befehl Eures Vaters«, flüsterte er.
»Aber der ist nicht hier!«, zischte Louis ihm zu. »Also schaff deinen fischigen Leib aus dem Weg, oder ich telegrafiere ihm, dass ich dich dabei erwischt habe, wie du ein kreischendes Bauernmädchen in den Dorftümpel gezerrt hast.«
Er fuhr sich über das lockige Haar und schenkte ihnen ein prinzliches Lächeln. »Wir werden alle unseren Spaß haben.« Dann stiefelte er in herrschaftlicher Pose aus der Kirchentür und schlug sie so fest hinter sich zu, dass das morsche Holz etliche Splitter verlor.
»Geh ihm nach«, sagte Nerron zu dem Wassermann.
»Ja, geh ihm nach, Eaumbre!«, echote Lelou, Panik in der Stimme.
Aber der Wassermann stand nur da und starrte sechsäugig auf die Tür, hinter der Louis verschwunden war.
»Geh schon, Eaumbre!«, wiederholte Lelou mit schriller Stimme.
Der Wassermann rührte sich nicht.
Stolz wie ein Wassermann. Die Redensart gab es sogar bei den Goyl.
»Was soll’s. Er wird zurückkommen«, sagte Nerron. »Das Prinzlein hat recht. Zum Betrinken braucht er uns nicht.«
Lelou stöhnte auf. »Aber sein Va…«
»Hörst du nicht? Er wird zurückkommen!«, fuhr Nerron ihm über den Mund. »Wir müssen eine Hand mit vergoldeten Fingernägeln finden. Mach dich auf die Suche, Lelou.«
Der Käfer wollte etwas erwidern. Aber schließlich zog er den Kopf ein und begann, die Knochen zu durchforsten, die aus der Seitenkapelle gequollen waren.
Eaumbre nickte Nerron zu.
Sechsäugige Dankbarkeit.
Wer konnte sagen, wofür sie noch gut sein würde.
19
VIELLEICHT
D as Hotel, in dem Fuchs Jacob zurückließ, war genauso heruntergekommen wie der Laden der falschen Hexe. Aber der Schmerz hatte ihn mehr geschwächt, als er zugab, und sie konnte keine Droschke in den menschenleeren Straßen finden, die sie zu einem besseren gebracht hätte.
Jacob schloss die Augen, sobald er sich auf dem Bett ausstreckte, und Fuchs blieb neben ihm sitzen, bis sie sicher war, dass er fest schlief. Sein Atem ging zu schnell, und auf seinem Gesicht sah sie Schatten, die der Schmerz wie Spuren darauf hinterlassen hatte.
Sie strich ihm sacht über die Stirn, als könnten ihre Finger die Schatten fortwischen. Vorsicht, Fuchs. Aber was sollte sie tun? Ihr Herz in Sicherheit bringen und ihn alleinlassen mit dem Tod?
Sie spürte, wie die Liebe sich in ihr rührte wie ein Tier, das aus dem Schlaf erwachte. Schlaf!, wollte sie flüstern. Schlaf weiter. Oder noch besser. Werde wieder, was du einmal warst. Freundschaft, nichts weiter. Ohne die Sehnsucht, ihn zu berühren.
Jacob griff sich im Schlaf an die Brust, als müssten seine Finger die Motte besänftigen, die ihm das Herz fraß.
Friss mein Herz!, dachte Fuchs. Was soll ich damit?
Ihr Herz fühlte so anders, wenn sie das Fell trug. Für die Füchsin schmeckte selbst die Liebe nach Freiheit. Und die Begierde kam und ging wie Hunger, ohne die Sehnsucht, die das Menschsein brachte.
Es fiel ihr schwer, Jacob allein zu lassen. Sie hatte Sorge, dass der Schmerz zurückkommen würde. Aber was sie vorhatte, tat sie für ihn. Fuchs schloss das schäbige Zimmer hinter sich ab und nahm den Schlüssel ebenso mit wie die Blutscherbe.
Selbst Dunbar hatte seinen Schreibtisch inzwischen wohl verlassen. Der Morgen war nicht mehr fern. Fuchs hatte ihn nur einmal
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