Red Rabbit: Roman
schüttelte den Kopf. »Alle klassischen Komponisten. Bach, Mozart, Brahms – ich kenne nicht alle Namen. Die Musik ist Irinas große Leidenschaft. Sie hatte als Kind Klavierunterricht, war aber nicht gut genug, um die Aufnahme in ein staatliches Konservatorium zu schaffen. Das bedauert sie am meisten in ihrem Leben. Und wir haben kein Klavier, auf dem sie üben könnte«, fügte er hinzu. »Was müssen Sie sonst noch wissen?«
»Leidet jemand von Ihnen an einer Krankheit – brauchen Sie zum Beispiel spezielle Medikamente?« Sie unterhielten sich wieder auf Russisch, und Zaitzew fiel auf, wie außerordentlich gut sein Gegenüber die Sprache beherrschte.
»Nein, wir sind alle gesund. Swetlana hatte zwar die üblichen Kinderkrankheiten, aber es kam nie zu irgendwelchen Komplikationen.«
»Sehr gut.« Das vereinfachte einiges, dachte Mary Pat. »Sie ist ein entzückendes kleines Mädchen. Sicher sind Sie sehr stolz auf sie.«
»Aber ob ihr das Leben im Westen gefallen wird?«, überlegte Zaitzew laut.
»Oleg Iwan’tsch, von den Kindern, die ich kenne, hatte bisher noch keines Anlass, das Leben in Amerika nicht schön zu finden.«
»Und wie gefällt es Ihrem kleinen Edward in der Sowjetunion?«
»Natürlich fehlen ihm seine Freunde, und kurz bevor wir hier herkamen, waren wir mit ihm in Disneyland. Er spricht immer noch sehr viel darüber.«
Dann kam eine Überraschung. »Disneyland? Was ist das?«
»Das ist ein riesiger Vergnügungspark für Kinder – und für Erwachsene, die sich an ihre Kindheit erinnern. Er liegt in Florida«, fügte sie hinzu.
»Davon habe ich noch nie etwas gehört.«
»Sie werden ihn bestimmt sehr eindrucksvoll und unterhaltsam finden. Aber ganz besonders Ihre Tochter.« Mary Pat hielt kurz inne. »Was hält Ihre Frau von Ihren Plänen?«, fragte sie dann.
»Irina weiß nichts davon«, antwortete der Russe zur nicht geringen Überraschung seiner amerikanischen Gesprächspartnerin.
»Wie bitte?« Ist der Kerl noch zu retten? war Mary Pats erster Gedanke.
»Irina ist eine gute Ehefrau. Sie wird tun, was ich ihr sage.« Der männliche Chauvinismus der Russen war wohl von einer ganz besonders ausgeprägten Sorte.
»Oleg Iwan’tsch, das wird äußerst gefährlich für Sie werden. Das muss Ihnen doch klar sein.«
»Für mich ist die größte Gefahr, vom KGB erwischt zu werden. Wenn das passiert, geht’s mir an den Kragen – und einem gewissen anderen auch«, fügte er in dem Glauben hinzu, ein zusätzlicher Anreiz könnte nicht schaden.
»Warum wollen Sie raus?« Das musste sie ihn jetzt einfach fragen. »Was hat Sie zu der Überzeugung geführt, dass das nötig ist?«
»Der KGB will jemanden ermorden, der es nicht verdient hat zu sterben.«
»Wen?« Auch diese Frage musste sie stellen.
»Das sage ich Ihnen, wenn ich im Westen bin.«
»Das ist verständlich«, erwiderte sie darauf. Sich nur nicht in die Karten schauen lassen, hm?
»Noch etwas«, fügte er hinzu.
»Ja?«
»Passen Sie auf, wenn Sie etwas an Ihre Zentrale senden. Es besteht Grund zu der Annahme, dass Ihr Nachrichtenverkehr kompromittiert ist. Sie sollten unbedingt alles buchstabenweise verschlüsseln, wie wir das in der Zentrale auch machen. Verstehen Sie, was ich meine?«
»Alle Sie betreffenden Nachrichten wurden zuerst verschlüsselt und dann per Diplomatengepäck nach Washington befördert.« Als sie das sagte, war die Erleichterung in seiner Miene unübersehbar, so sehr er es auch zu verbergen versuchte. Und Rabbit hatte ihr gerade etwas von enormer Bedeutung mitgeteilt. »Sind wir infiltriert?«
»Auch das ist etwas, wozu ich mich erst im Westen äußern werde.«
Na großartig, dachte Mary Pat. Sie haben uns irgendwo einen Maulwurf untergejubelt, und ahnungslos, wie wir sind, könnte er sich im Rosengarten des Weißen Hauses befinden, ohne dass wir etwas davon mitbekommen. Das hat uns gerade noch gefehlt…
»Na schön, wir werden in Ihrem Fall strengste Sicherheitsvorkehrungen treffen«, versprach sie. Aber das hieß, dass das zeitliche Minimum für die Weiterleitung wichtiger Nachrichten zwei Tage betragen würde. Bei diesem Kerl mussten sie auf Methoden wie im Ersten Weltkrieg zurückgreifen. Ritter wäre bestimmt begeistert. »Können Sie mir sagen, welche Methoden wohl sicher sind?«
»Die Engländer haben vor etwa vier Monaten ihre Chiffriergeräte umgestellt. Bisher ist es uns noch nicht gelungen, den neuen Code zu knacken. So viel kann ich mit Sicherheit sagen. Welche Ihrer
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