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- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond

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Titel: - Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Blakley-Cartwright , David Leslie Johnson
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zog sie durch das strahlende Nachmittagslicht zu dem wartenden Pferd. Wasser schwappte auf den Boden, als Valeries Eimer umfiel.
    Eines Tages, dachte sie, werden Peter und ich ein Haus für uns alleine haben, mit einem Obstgarten und einem kleinen Fluss, in dem wir baden und schwimmen. An den Nachmittagen wird die Sonne singen und in der Nacht werden Vögel ihre Köpfe unter die Flügel stecken und ruhen . Das Bild wurde immer deutlicher, je schneller sie rannten.
    Die Freiheit vor Augen, fühlte sie sich so schwerelos wie ein Löwenzahnsamen, der durch die Lüfte schwebte.

    Etwa um dieselbe Zeit fand Claude etwas, was er gar nicht gesucht hatte.
    Der stille Claude bemerkte Dinge, die kein anderer bemerkte. Er bemerkte, dass Äste auf und nieder wippten wie Flügel, dass das Getreide wogte wie das Meer bei Sturm. Er sah, was sich in den Schatten verbarg, und auch, was hinter den Schatten war.
    Er nahm Geheimnisse ernst und versuchte, sie zu ergründen. Was er nicht verstand, war, warum es so viel zu sehen gab, so viel Schönes, dass er gar nicht alles gebührend bewundern konnte. Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, denn er konzentrierte sich auf alles.
    Er trug einen Beutel aus Rohleder bei sich, in den er alle Beeren und Blütenblätter legte, deren Farben er besonders schön fand. Er war ein Beobachter und auch ein Schöpfer.
    Heute hatte er eine große Vogelscheuche mit Schlapphut gebaut. Die Vogelscheuche war ein Kreuz aus schmalen Strohbündeln und eine Weizengarbe diente als Kopf. Claude lief um sie herum, klatschte in die Hände und wartete darauf, dass sie antwortete, dass sie zum Leben erwachte. Er war ein Magier und er glaubte an das Magische.
    Claude zückte sein selbst gemachtes Tarotkartenspiel. Er hatte die Karten mit Farben bemalt, die er in der Küche stibitzt hatte: mit dunklem Essig und Wein, dem Saft von Roter Beete und ausgepressten Karotten. Zuvor hatte er ein Kartendeck studiert, das ein fliegender Händler ins Dorf gebracht hatte. Trotz seiner bescheidenen Farbpalette waren die Karten sorgfältig ausgemalt, sodass jedes Symbol etwas Besonderes und Lebendiges hatte. Mit einer kurzen Handbewegung zauberte er eine Karte hinter dem Kopf der Vogelscheuche hervor, ein Taschenspielertrick, den er eingeübt
hatte. Während er sie betrachtete, fiel ihm auf, dass der trübe Morgen einem strahlenden Frühnachmittag gewichen war. Verwundert darüber, wie lange er draußen gewesen war, machte er sich, im Gehen die Karten mischend, gemütlich auf den Heimweg.
    Eine Karte jedoch, der Mond, rutschte ihm aus dem Stapel, wirbelte durch die Luft und wurde vom Wind davongetragen. Claude jagte ihr nach, die Nase rümpfend, da ihn die Sonne blendete, und gelangte auf ein Weizenfeld, das an dieser Stelle niedergetrampelt war.
    Überall waren Blutspritzer.
    Claude konnte in der bewegten Luft riechen, dass hier ein Unheil geschehen war und dass er zu spät kam.
    Zögernd folgte er der Karte und dann sah er etwas Schreckliches. Er blieb wie angewurzelt stehen.
    Was er sah, war zu grauenhaft.
    Zerfetztes Fleisch und den schmutzigen Saum eines gelben Kleides. Die Tarotkarte lag mit der Bildseite nach oben neben einer leblosen Hand.
    Er zögerte einen Augenblick, starr vor Schreck, dann rannte er, über knorrige Wurzeln und Ackerfurchen stolpernd, ins Dorf zurück. Hinter ihm nickte die Vogelscheuche im Wind, sah alles und nichts.

    Valerie fühlte sich wie befreit, als sie zum Wagen rannte. Sie spürte, dass sie sichtbar war, doch ungesehen blieb, wie eine Blüte, die sich ins Gebüsch schmiegte und von niemandem bemerkt zu werden schien.
    Die Welt gehörte ihr und Schönheit war überall. In Peters
zerzaustem Haar, in dem rauen Holz unter ihrer Hand, als sie auf den Kutschbock sprang, in den eingefetteten Lederzügeln, die das Sonnenlicht einfingen.
    Bimm.
    Bimm.
    Bimm.
    Der dritte Schlag der Kirchenglocke verklang, und alles wurde still. Im Dorf war jemand gestorben. Valerie erstarrte.
    Bimm.
    Ein vierter Glockenschlag zerriss die Stille. Die Welt platzte auf und enthüllte ihr rohes Inneres.
    Valerie und Peter sahen einander an, verwirrt zuerst, ehe die schreckliche Erkenntnis kam.
    Der vierte Glockenschlag bedeutete nur eins: Er hat wieder getötet. Der Wolf.
    Valerie hatte den vierten Glockenschlag niemals gehört, nur einmal, als sie und Peter selbst geläutet hatten.
    Mit diesen Glocken kannte sich Valerie aus.
    Das Leben würde nie wieder so sein, wie es war.

TEIL ZWEI

Kapitel 8
    C laude stand atemlos

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