- Red Riding Hood - Unter dem Wolfsmond
ausgerechnet sie. Doch sie konnte nicht anders, ihr Herz floss über vor Glück.
»Gib mir die Axt.«
»Was bekomme ich dafür?«, fragte sie.
Er kam auf sie zu, doch sie wich an eine Kiefer zurück. Er trat ganz dicht an sie heran, berührte sie aber nicht. Als sie sah, wie ernst es ihm war, gab sie nach, drückte ihm sanft die Axt an die Brust und ließ ihre gespreizten Finger in der Wärme, die sie dort fand, verweilen.
»Valerie …« Peter sah jetzt traurig aus. »Sie haben es dir nicht gesagt.«
» Was?« Valerie lächelte. Er stand ihm gut, wenn er besorgt war. Sie fragte sich, ob sie sich gerade unausstehlich benahm und ob sie es war, die sich ärgern sollte. »Sag schon, was?«, wiederholte sie ungeduldig.
»Ich habe vorhin gehört, wie deine Mutter mit deinem Vater gesprochen hat«, antwortete Peter ausweichend und
spielte mit dem zerrissenen Schulterteil ihres hellblauen Kleides.
»Und?«, fragte sie schnell und zupfte an dem Riss im Stoff. Sie hatte nie besonders auf ihre Kleidung geachtet.
»Valerie, Valerie.« Er merkte, dass er es ihr sagen musste. Er schob sich näher. »Sie haben dich einem anderen versprochen. «
Ihre Hand fiel von der widerspenstigen Naht an ihrer Schulter herab. Sie starrte geradeaus auf seine sonnengebräunte Haut.
»Henry … Lazar.« Der Name kam ihm nur schwer über die Lippen.
Valerie spürte, wie ihr Herz in sich zusammenfiel.
»Nein«, sagte sie. Sie wollte ihm nicht glauben. »Nein, nein«, sprach sie gegen seine Brust.
Peter stand schweigend da. Er wünschte, er könnte ihr sagen, was sie hören wollte.
»Das ist unmöglich«, wisperte sie.
»Aber wenn ich es dir sage. Es ist beschlossene Sache.«
Beschlossene Sache. Sie versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.
»Ich meine … was ist wenn … ich weiß nicht, ob …« Valerie konnte nicht zusammenhängend denken, doch jedes Mal, wenn sie etwas sagte, klang es so dringlich, als wäre ihr eine Idee gekommen, wie sie von Henry loskommen könnte. »Was sollen wir tun?« Sie lehnte sich an den Baum hinter ihr.
Peter ging ruhelos auf und ab, ein wilder Trotz verfinsterte seine Züge. » Willst du ihn heiraten?« Er blieb vor ihr stehen, drängte dicht an sie heran.
»Nein, das weißt du.«
»Tu ich das? Kennen wir uns überhaupt noch? Es ist lange her. Ich bin nicht mehr derselbe.«
»Doch«, widersprach sie. »ich weiß, wer du bist.« Sie wusste, es war lächerlich, dass sie nach so kurzer Zeit so tief empfand … aber sie tat es. Sie hatte einfach das Gefühl, dass sie zusammengehörten. Sie nahm seine Hand und hielt sie fest.
Seine Züge wurden milder. »Also gut. Dann gibt es vielleicht einen Weg …«, sprach er und blickte zu dem dünnen silbernen Dunststreifen über dem Moor am Horizont.
Valerie sah ihn verblüfft an, ihre Gedanken überschlugen sich.
»Wir könnten gemeinsam fortgehen«, sagte er und sprach damit aus, was sie dachte, noch bevor ihr Gedanke feste Gestalt annahm. Er kam noch näher, seine Stirn berührte fast ihre.
»Geh fort mit mir«, wiederholte er und lächelte, ein echtes Lächeln, ein breites und geheimnisvolles Lächeln, das auf seine Art Furcht einflößend war, als genüge alles, was er tat, sich selbst, als hätte es keine Konsequenzen. Sie wollte Teil dieser unkomplizierten Welt sein.
»Wohin würden wir gehen?«
Seine Lippen streiften ihr Ohr. »Wohin du willst«, sagte er. »Ans Meer, in die Stadt, in die Berge …«
Überallhin. Mit ihm.
Er lehnte sich zurück und sah sie an. »Du hast Angst.«
»Nein.«
»Du würdest dein Elternhaus verlassen? Deine Familie? Dein ganzes Leben aufgeben?«
»I…ich glaube schon. Ich würde alles tun, um bei dir zu sein.« Sie hörte sich das sagen und erkannte, dass es die Wahrheit war.
»Alles?«
Valerie tat so, als denke sie nach, nur zum Schein, damit sie sich später sagen konnte, sie hätte es getan. Dann antwortete sie, fast kleinlaut: »Ja.«
»Ja?«
»Ja.«
Peter ließ das auf sich wirken. Sie hörten das Schnauben eines Pferdes, und dann erspähten sie in einiger Entfernung einen angespannten Wagen, unbeaufsichtigt und abfahrbereit. Keine Menschenseele war zu sehen. Es war wie ein Wink des Schicksals.
»Wenn wir es tun wollen, dann sofort«, sagte sie, dasselbe denkend wie er.
» Wir hätten einen halben Tagesritt Vorsprung, bevor überhaupt jemand merkt, dass wir fort sind«, stimmte er zu und lächelte sie verwegen an.
»Dann lass uns gehen.«
» Wer zuerst dort ist.« Er nahm sie bei der Hand und
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