Rede, dass ich dich sehe
skeptischer. Die Welt will nicht nach unseren Vorstellungen laufen, nicht wahr? Also was hoffen? Was wünschen? Gesundheit und Lebensfreude sind Gaben, die uns, wenn wir Glück haben, begleiten. Ich wünsche Dir dieses Glück.
Deine C. W.
2009
O Dichtung, herrlich, streng und sanft
Begegnungen mit Spanien und seiner Literatur
Eigentlich sollte diese Veranstaltung, zu der wir uns heute hier versammelt haben, in Madrid stattfinden; jedenfalls war das der Wunsch der Universität von Madrid, deren Abteilung für deutsche Philologie mir im Juni 2008 in einem Brief ihres Direktors, Dr. Arno Gimber, ihre Absicht kundtat, mir die Ehrendoktorwürde zu verleihen. Ich will nicht verschweigen, daß ich einen gelinden Schreck bekam; weil mir schon mehrere Ehrendoktorwürden erteilt wurden und ich jedesmal das Gefühl hatte, akademische Ehren hätte ich nicht verdient, hatte ich mir vorgenommen, weitere Anträge dieser Art nicht mehr anzunehmen. Dann las ich die Liste der Autoren, die bisher mit dieser Auszeichnung der Madrider Universität bedacht worden waren, und ich begriff, daß ich diese Ehre nicht ablehnen konnte: Rafael Alberti stand da unter anderen, Umberto Eco, Claudio Magris, Ferit Orhan Pamuk. Bleibt mir also nur, Ihnen zu versichern, daß es mich sehr berührt, mich von Ihnen in eine solche Reihe eingegliedert zu sehen, und daß ich Ihnen für diese Auszeichnung danke.
Leider konnte ich mein Vorhaben, nach Madrid zu kommen – eine Stadt, die schon lange auf meiner Wunschliste stand –, nicht verwirklichen: Durch die Folgen einer Operation bin ich in meinem Bewegungsradius eingeschränkt und traue mir zur Zeit Auslandsreisen nicht zu. Daher bin ich dankbar, daß die spanische Botschaft in Berlin für diesen Anlaß die Gastgeberrolle übernommen hat und daß die Urheber meiner Auszeichnung, darunter der Rektor der Universidad Complutense de Madrid, Herr Carlos Berzosa, hierhergekommen sind.
Ich blättere in dem Buch über Geschichte und Gegenwart dieser Botschaft, das mir der Botschafter, Herr Rafael Dezcallar
de Mazarredo, geschenkt hat. Nicht überraschend ist auch dieses Gebäude vom Ablauf der deutschen Geschichte des vorigen Jahrhunderts, von Gewalt, Diktatur, Krieg, Teilung Deutschlands in zwei Staaten, betroffen gewesen und spiegelt in den verschiedenen Bauabschnitten die je politischen Verhältnisse in Deutschland und in Spanien wider. Es ist zu hoffen und zu wünschen, daß die Botschaft künftig ihren Auftrag, friedlicher Treffpunkt zweier Kulturen zu sein, ungestört erfüllen kann.
Aus Anlaß dieser Auszeichnung habe ich mich gefragt, inwiefern und inwieweit ich Spanien, seine Geschichte, seine Kultur kenne. Wir, damals junge Leute in der DDR , interessierten uns brennend für den Spanischen Bürgerkrieg gegen die Franco-Diktatur, an dem ältere Kollegen von uns, Schriftsteller, mit denen wir befreundet waren, als Kämpfer in den Internationalen Brigaden teilgenommen hatten. Ich nenne nur einige: Kurt Stern, Eduard Claudius, Walter Janka. Sie haben uns davon erzählt. Und die ersten Spanier, denen ich begegnet bin, waren Emigranten, die vor dem Franco-Regime in die DDR geflohen waren. Da lernte ich, zuerst durch ihre Bilder in Ausstellungen, dann auch persönlich, Nuria Quevedo kennen, die zu meiner Freude mit ihrem Mann Karlheinz Mundt heute hier ist. Wir sind Freundinnen geworden, nicht zuletzt durch eine Zusammenarbeit, durch ihren Zyklus von Radierungen zu meinem Buch Kassandra . Ich glaube, ihre Bilder von spanischen Emigranten haben mich mehr über die Tragik der Emigration gelehrt als manche Bücher.
Und jeden Abend sitze ich einem ihrer Bilder gegenüber, das ich besonders liebe. Dazu muß ich erzählen, daß die einzige Stadt in Spanien, die ich kenne, Barcelona ist, die Stadt, in der Nuria Quevedo aufgewachsen ist. Ich war dorthin im November 1986 von meinem Verlag, Circulo de Lectores, eingeladen, um die Übersetzung von Kassandra vorzustellen. Die Stadt faszinierte uns, meinen Mann und mich. Noch heute kann ich mir Stadtbilder, die Ramblas, die kleinen quirligen Nebenstraßen, den Blick auf das Meer heraufrufen, wenn ich
die Augen schließe. Natürlich gingen wir besonders den Zeugnissen von Antoni Gaudis Arbeit nach. Und so standen wir auch einmal an einem Punkt, von dem aus man einen guten Blick auf die Sagrada Familia und deren Umfeld hat. Und genau von diesem Punkt aus hatte Nuria Quevedo diesen selben Blick gemalt – unverkennbar, wenn auch ohne das Gehölz, das inzwischen
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