Reden ist Silber, Kuessen ist Gold
nicht ertragen. Ich hatte schon meine Mutter verloren. Er war alles, was mir geblieben war.«
»Und du warst alles, was ich hatte«, brüllte Mitch. »Ich habe in dem Sommer meine Eltern verloren, Skye. Ich dachte, dass wir füreinander da sein würden.«
Sie ließ den Kopf hängen. »Ich weiß. Es tut mir so leid.«
»Leidtun reicht nicht.«
Sie richtete sich wieder auf. »Okay. Was willst du dann?«
»Ich will, dass du so blutest, wie ich geblutet habe. Ich will, dass du alles genauso fühlst wie ich.«
Seine Wut und sein Schmerz waren wie lebendige Wesen in dem Raum. Sie saugten die Luft auf und weckten in Skye das Gefühl, nach draußen rennen zu wollen.
Dann verstand sie ihn plötzlich.
»Du denkst, dass es mein Fehler ist«, flüsterte sie. »Du gibst mir an allem die Schuld. Wenn ich unsere Beziehung nicht beendet hätte, wärst du nicht fortgegangen. Du wärst kein SEAL geworden und hättest dein Bein nicht verloren.«
Er sagte nichts.
Sie konnte es nicht glauben. »Tut es dir leid, was du getan hast? Die ganzen Leben, die du gerettet, das, was du in der Welt bewirkt hast?«
»Darum geht es nicht.«
»Worum dann? Du hast eine Wahl getroffen. Wir beide. Und nun müssen wir mit den Konsequenzen leben.«
»Muss ja wirklich hart für dich sein.« Vor Wut klang seine Stimme gepresst. »In einem großen Haus zu leben, mit deinem Kind und allem. Lassen dich dein Schmerz und Leid nachts nicht schlafen? Bedauerst du, Ray geheiratet zu haben?«
Es läuft doch immer wieder auf diese Frage hinaus, dachte Skye traurig.
Sie schaute in die Augen des Mannes, den sie einst mehr geliebt hatte als alles auf der Welt, aber nicht genug, um sich ihrem Vater zu widersetzen.
»Nein«, flüsterte sie. »Ich bedaure es nicht. Er hat mir Erin geschenkt, und sie würde ich für nichts auf der Welt hergeben. Es ist passiert, Mitch. Hier sind wir nun.«
»Hier bist du nun. Ich bin ganz woanders.«
»Ich kenne dich nicht mehr.«
»Pech gehabt. Ich bin ein verdammt toller Kerl.«
»Das warst du mal. Nun bist du nur noch ein Mann, der will, dass die ganze Welt ihn bemitleidet.«
Mitch hatte nicht gewusst, dass man sich so schlecht fühlen konnte, ohne tot zu sein. Irgendwann letzte Nacht war er in seinem Büro bewusstlos geworden und erst kurz vor Morgengrauen auf dem Fußboden aufgewacht. Er hatte fast eine Stunde gebraucht, um zum Haupthaus zu humpeln. Die Krücken waren zu gleichen Teilen Hilfe wie Hindernis gewesen.
Eine heiße Dusche, ein starker Kaffee und eine Handvoll Kopfschmerztabletten halfen überhaupt nicht gegen das Hämmern in seinem Kopf und den sauren Stein in seinem Magen. Genauso schlimm war, dass er sich kaum noch erinnern konnte, was gestern passiert war. Er war sich lediglich ziemlich sicher, dass Skye ihn besucht und er sie sehr schlecht behandelt hatte.
Der kleine Teufel auf seiner Schulter flüsterte ihm ein, dass sie es nicht besser verdient hatte, aber der Rest von ihm war sich da nicht so sicher. Es gab gewisse Grenzen, die er nicht überschreiten wollte, und es machte ihn wahnsinnig, nicht zu wissen, ob er es bereits getan hatte.
Fidela machte so ein Aufheben um ihn, dass er es irgendwann nicht mehr ertrug. Also setzte er seinen Hut auf und machte sich wieder auf den Weg in den Stall. Wenn er sich recht erinnerte, gab es in seinem Büro noch einiges aufzuräumen. Mit Skye würde er sich später befassen.
Die halbdunkle Stille des Stalls erleichterte den Druck in seinem Kopf. Für ungefähr acht Sekunden.
»Mitch! Hi. Willst du ausreiten? Du bist bis jetzt noch gar nicht geritten, aber du musst Bullet unbedingt reiten. Er ist sehr traurig, das spüre ich.«
Die helle, hohe Stimme der Achtjährigen durchschnitt ihn wie eine Rasierklinge. Er zuckte zusammen und wünschte sich überallhin, nur fort von hier. Im Augenblick sah sogar die Physiotherapie verlockend aus.
»Erin«, sagte er ganz sanft. »Ich fühle mich heute nicht gut. Könntest du bitte etwas leiser sprechen?«
»Warum? Macht dir meine Stimme Kopfschmerzen? Bist du krank? Hast du eine Erkältung?«
Er musste ein Stöhnen unterdrücken. Eine Achtjährige anzubrüllen war keine Option. Sie war vielleicht nicht sein Kind, aber er konnte nicht gemein zu ihr sein. Es war nicht viel, aber im Moment war das der einzige halbwegs weiße Fleck auf seiner ansonsten ziemlich verschmutzten Weste.
»Alles macht mir heute Kopfschmerzen«, erklärte er.
»Ich weiß, wie sie besser werden.« Sie stemmte ihre kleinen Hände in ihre schmalen
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