Redwall 01 - Der Sturm auf die Abtei
mit grimmiger Genugtuung. »Richtig, wertloser Schund, Ratte, genauso wie du. Das echte Stück Wandteppich ist inzwischen längst wieder in Redwall. Du bist hereingelegt worden.«
»Tötet sie! Tötet die gemeine kleine Schwindlerin!«, erschallte Clunys Schrei. Aber noch bevor ein Speer oder ein Wurfgeschoss geschleudert werden konnte, war Jessica bereits auf und davon. Elegant setzte sie von Baum zu Baum. Hoch oben über dem Waldboden von Mossflower, in den höchsten Baumwipfeln, flüchtete die meisterhaft wendige Eichhörnchenfrau auf die Abtei von Redwall zu.
Jessica kehrte irgendwann am frühen Abend zurück und sprang leichtfüßig von einem hohen Ulmenast auf die Brustwehr der Abteimauer. Sie erkannte an dem fröhlichen Geplapper und dem allgemeinen Jubel, dass das Bild von Martin wieder sicher zurückgebracht worden war.
Als sie auf den Boden herunterhüpfte, wurde sie sofort von applaudierenden Freunden umringt. Unter ihnen war natürlich auch Herr Eichhorn, der sie küsste, während ihr Sohn, der Schweigende Sam, auf ihrer Schulter saß und ihren Kopf liebevoll mit seiner abgelutschten, feuchten Pfote streichelte.
Die Waldbewohner trugen Jessica auf den Schultern in den Speisesaal, wo ein weiterer gefeierter Held saß, nämlich Basilius Hirsch Hase. Er blickte von einem gewaltigen Essensberg auf seine Gefährtin und zeigte dann auf sein Bein, das mit einem übertrieben dicken Verband umwickelt war.
»Kriegsverletzung«, murmelte Basilius, während er einem Teller mit Quitten- und Holunderbeerpastete zu Leibe rückte. »Muss sehen, dass ich wieder zu Kräften komme, müsst Ihr wissen. Essen ist das einzige Mittel, eine ehrenhafte Verletzung zu heilen. Sich gut ernähren, sich aufpäppeln, was?«
Der Schweigende Sam hüpfte auf den Tisch. Er zeigte Basilius einen winzigen Kratzer auf seiner nicht gelutschten Pfote. Der freundliche Hase sah sich die Pfote genau an und sagte dann ernst: »Oje, sieht aus, als hätten wir hier noch eine schwere Kriegsverletzung! Setzt Euch zu mir, junger Krieger. Esst tüchtig, das ist die beste Medizin.«
Die beiden stürzten sich gefräßig auf das Essen.
Pater Hugo kam herangewatschelt, sein Gesicht strahlte vor Vergnügen.
»Das habt ihr gut gemacht«, kicherte er. »Die Späte Rose trägt wieder Blüten. Esst nach Herzenslust.«
Jessica legte ihre Pfoten auf die Schultern des dicken Mäuserichs. Das Gesicht des Eichhörnchens spiegelte eine Mischung aus Trauer und Betroffenheit.
»Pater Hugo, alter Freund, Ihr müsst jetzt sehr stark sein. Ich habe eine schlimme Nachricht für Euch.«
Über Hugos dickliche Gesichtszüge breitete sich ein sorgenvoller Schatten. »Sagt es mir, Jessica. Was ist denn so Furchtbares geschehen?«
Jessica stammelte mit gebrochener Stimme: »Ich fürchte, Cluny hat eines Eurer ältesten und ehrwürdigsten Geschirrtücher zerrissen. Ach je, nun wird es in Redwall nie wieder einen Teller abtrocknen können!«
Hinter dem Rücken des Paters genossen Basilius und Sam einen Apfel-Sahnepudding und erstickten fast vor Lachen.
Die Strahlen der Abendsonne durchfluteten den Großen Saal, während der alte Methusalem eifrig mit Nadel und Faden bei der Arbeit war. Er nähte Martin den Krieger an, der nun wieder seinen angestammten Platz in der Ecke des prächtigen Wandteppichs von Redwall einnahm.
38
Matthias hatte sich tief in Grauflügels Nest verkrochen. Ihm lief ein behaglicher Schauer über den Rücken und er wühlte sich noch tiefer in die Höhle aus getrocknetem Moos, Daunenfedern und weichem Gras. Im Laufe der Nacht war Wind aufgekommen. Er lugte über den Nestrand. Es war ein grauer Tag, wie er so oft vorkam, wenn der Frühsommer zu strahlend ausgefallen war. Die Wolken jagten dicht hintereinander am Himmel dahin, aber es regnete nicht und der Wind war recht warm. Dennoch verstärkte sich das Seufzen und Stöhnen des umherstreifenden Windes durch das Dachgesims und die Risse im Dach, sodass der junge Mäuserich sich noch tiefer einkuschelte, wie er es so manches Mal in seinem eigenen Bett im Schlaftrakt getan hatte. Matthias dachte an das ordentliche, gemütliche kleine Bett und bekam plötzlich Heimweh. Würde er jemals wieder darin schlafen?
Ein geschäftiges Flügelschlagen kündigte die Spatzenmutter an.
»Matthias Maus sein Schlafmütze! Aufstehen! Viel zu erledigen heute.«
Matthias reckte sich, gähnte und kratzte sich unter dem Halsband.
»Guten Morgen, Grauflügel«, sagte er höflich. »Was gibt es?«
Die
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