Reflex
Inspektor gab dem jungen Mann ein Zeichen, und dieser zog ein Paar Plastikhandschuhe aus seiner Tasche und streifte sie sich über. Dann nahm er den Filter, eine schwarze Plastikkugel von der Größe einer Grapefruit mit durchsichtigen Stellen oben und unten, und schraubte ihn in der Mitte auseinander.
»Hier drin ist normalerweise nur die Filterpatrone«, sagte er. »Aber Sie werden gleich sehen, daß die Dinge bei diesem speziellen Gerät anders liegen. In diesem hier sind zwei Einsätze, einer über dem anderen. Sie sind jetzt beide leer … aber in dem unteren war kristallisiertes Natriumsulfid, und der hier …«, er hielt mit angeborenem Sinn für Dramatik inne, »… der obere enthielt Schwefelsäure. Eine Art Membran muß die Inhalte der beiden Einsätze getrennt gehalten haben … aber als der Wasserhahn aufgedreht wurde, hat der Wasserdruck die Membran zerstört oder aufgelöst, und die beiden Chemikalien haben sich vermischt. Schwefelsäure und Natriumsulfid, angetrieben von Wasser … ein ausgesprochen effektiver Sulfidgenerator. Er verströmte auch dann noch Gas, als das Wasser abgedreht wurde. Und das wurde es ja … vermutlich von Jeremy Folk.«
Es entstand ein langes, bedeutungsvolles deprimierendes Schweigen.
»Sie sehen also, Sir«, sagte der Inspektor, »es kann unmöglich ein Unfall gewesen sein.«
»Nein«, sagte ich matt. »Aber ich weiß nicht … Ich weiß wirklich nicht … wer so ein Ding installiert haben könnte … Dazu hätte man doch wissen müssen, was für einen Filter ich benutze, oder?«
Wieder Schweigen. Sie schienen darauf zu warten, daß ich auspackte, aber ich hatte keine Ahnung. Den Relgan konnte es nicht gewesen sein … warum sollte er sich mit so einer Vorrichtung abmühen, wenn zwei oder drei Tritte mehr mich ins Jenseits befördert hätten? Elgin Yaxley konnte es auch nicht gewesen sein, er hatte nicht genug Zeit dafür gehabt. Es konnte auch keiner von den anderen gewesen sein, denen George Millace Briefe geschrieben hatte. Bei zweien davon handelte es sich um alte Geschichten, vorbei und vergessen. Ein Fall war immer noch aktuell, aber ich hatte nichts in der Sache unternommen und dem betreffenden Mann nichts von dem Brief erzählt. Er kam sowieso nicht in Frage. Er würde mich sicher nicht töten.
Das alles ließ nur den unerfreulichen Schluß zu, daß jemand annahm, daß ich etwas besaß, was ich nicht hatte. Einer, der wußte, daß ich George Milaces Erpressungspaket geerbt hatte … der wußte, daß ich bereits einiges davon benutzt hatte … und der mich daran hindern wollte, noch mehr davon zu benutzen.
George Millace hatte bestimmt mehr in der Schachtel gehabt, als ich geerbt hatte. Ich hatte zum Beispiel die Zigarettenschachtel nicht, auf die Dana den Relgan ihre Drogenliste notiert hatte. Und außerdem … ja, was sonst noch?
»Nun, Sir«, sagte der Inspektor.
»Niemand war in meinem Haus, seit ich am Mittwoch die Dunkelkammer benutzt habe. Nur meine Nachbarin und der Steuerbeamte …« Ich stockte, und sie stürzten sich darauf. »Was für ein Steuerbeamter?«
Ich sagte, sie sollten Mrs. Jackson fragen, und sie meinten, daß sie das tun würden.
»Sie hat gesagt, daß er nichts angerührt hat.«
»Aber er hätte sehen können, welchen Filtertyp …«
»Ist das denn überhaupt mein Filter?« fragte ich. »Er sieht jedenfalls so aus.«
»Wahrscheinlich«, sagte der junge Mann. »Aber unser Mann hätte ihn sehen müssen … wegen der Maße. Dann konnte er zurückkommen … und ich denke mir, daß es ungefähr dreißig Sekunden gedauert hat, die Filterpatrone rauszunehmen und die Einsätze mit den Chemikalien hineinzutun. Saubere Arbeit.«
»Wird Jeremy überleben?« sagte ich.
Der Jüngere zuckte die Achseln. »Ich bin Chemiker, kein Arzt.«
Wenig später gingen sie und nahmen den Filter mit. Ich rief beim Krankenhaus an. Keine Änderung.
Am Nachmittag ging ich selbst ins Krankenhaus, Harolds Frau fuhr mich hin, weil sie darauf beharrte, daß ich nicht in der Lage sei zu fahren.
Ich sah Jeremy nicht. Ich sah seine Eltern. Sie waren außer sich vor Sorge, zu aufgeregt, um böse zu sein. Nicht meine Schuld, sagten sie, allerdings glaubte ich, daß sie es später anders sehen würden. Jeremy wurde durch künstliche Beatmung am Leben gehalten. Seine Atmung war gelähmt. Sein Herz schlug. Sein Gehirn hatte keinen Schaden erlitten.
Seine Mutter weinte.
»Machen Sie sich nicht solche Sorgen«, sagte Harolds Frau auf der Heimfahrt. »Er wird
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