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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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Meine eigene Brust fühlte sich bleiern an. Das Atmen fiel mir schwer. »Sag ihnen … es handelt sich um Schwefel. Irgendein Schwefelgas. Tödlich. Sie sollen sich beeilen.«
    Sie sah entsetzt drein und rannte ins Haus des Lehrers zurück, und ich lehnte mich auf den Knien schwach gegen die Wand meines Hauses und hustete und fühlte mich sterbenselend. Schuld daran waren nicht meine alten Probleme, es waren die neuen. Es war das Gas.
    Jeremy rührte sich nicht. Lieber Gott, dachte ich, lieber Herr Jesus, laß ihn leben.
    Das Gas in meiner Dunkelkammer war für mich bestimmt gewesen, nicht für ihn. So mußte es sein. Es mußte irgendwie da drin gewesen sein, mußte mich all die Stunden, die ich draußen in der Diele gelegen hatte, erwartet haben.
    Mir schwirrte der Kopf: Jeremy, nicht sterben , dachte ich. Jeremy, es ist meine Schuld. Nicht sterben. Ich hätte George Millaces Abfall verbrennen sollen … hätte das Zeug nicht benutzen dürfen … uns nicht in die Nähe … in die Nähe des Todes bringen dürfen.
    Aus allen Häusern kamen Leute mit Decken und entsetzten Blicken. Der Lehrer erfüllte weiter seine Pflicht, wenn ich auch aus seinem Verhalten und aus flüchtigen Blicken auf sein Gesicht schließen konnte, daß er es für sinnlos hielt.
    Nicht sterben …
    Clare fühlte Jeremys Puls. Ihr Gesicht war aschfahl.
    »Ist er …?« sagte ich.
    »Ein Flattern.«
    Nicht sterben.
    Der Lehrer faßte wieder Mut und machte unermüdlich weiter. Ich hatte das Gefühl, als zöge sich ein Band um meine Rippen zusammen und quetschte mir die Lungen. Ich hatte nur ein paar Züge Gas und Luft eingeatmet. Jeremy hatte reines Gas eingeatmet. Und Clare …
    »Was ist mit deiner Brust?« fragte ich sie.
    »Eng«, sagte sie. »Schrecklich.«
    Die Menge um uns herum schien anzuwachsen. Der Krankenwagen kam, und ein Streifenwagen und Harold und ein Arzt und halb Lambourn.
    Fachkundige Hände lösten den Lehrer ab und pumpten Luft in und aus Jeremys Lungen, und Jeremy selbst lag da wie ein Klotz, während der Arzt ihn untersuchte und während man ihn auf eine Bahre hob und in den Krankenwagen schob.
    Sein Puls war zu spüren. Ganz schwach. Das war alles, was sie sagen wollten. Sie schlossen die Tür hinter ihm und fuhren ihn nach Swindon.
    Nicht sterben , betete ich. Laß ihn nicht sterben. Es ist meine Schuld.
    Ein Feuerwehrauto fuhr vor, mit Männern in Atemschutzgeräten. Sie gingen mit ihren Meßgeräten zur Hinterseite des Hauses und kamen dann durch die Vordertür wieder auf die Straße. Soweit ich mitbekam, was sie zur Polizei sagten, rieten sie von näheren Untersuchungen ab, bis die Giftgaskonzentration sich erheblich verringert hatte.
    »Um was für ein Gas handelt es sich?« fragte einer der Polizisten.
    »Schwefelwasserstoff.«
    »Tödlich?«
    »Extrem. Lähmt die Atmung. Gehen Sie nicht hinein, bevor wir Entwarnung geben. Da drin ist irgendeine Quelle, die immer noch Gas produziert.«
    Der Polizist wandte sich an mich. »Was ist das?« sagte er.
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Ich besitze nichts in der Richtung.«
    Er hatte mich schon vorher gefragt, was mit meinem Gesicht passiert sei.
    »Bin beim Pferderennen gestürzt.«
    Jedermann hatte das akzeptiert. Demolierte Jockeys waren in Lambourn an der Tagesordnung. Der ganze Zirkus bewegte sich die Straße entlang zu Harolds Haus, und die Ereignisse gerieten durcheinander.
    Clare rief zweimal im Krankenhaus an, um sich nach Jeremys Befinden zu erkundigen.
    »Er ist auf der Intensivstation … bedenklicher Zustand. Sie wollen wissen, wer seine nächsten Verwandten sind.«
    »Eltern«, sagte ich verzweifelt. »Jeremy ist in St. Albans … zu Hause.« Die Nummer war in meinem Haus, beim Gas.
    Harold bemühte die Telefonauskunft und bekam die Telefonnummer von Jeremys Vater.
    Nicht sterben, dachte ich. Bleib verdammt nochmal am Leben … Bitte bleib am Leben.
    Polizisten trampelten rein und raus. Ein Kriminalinspektor kam und stellte Fragen. Ich erzählte ihm, was passiert war. Clare erzählte ihm, was passiert war. Ich wüßte nicht, wie der Schwefelwasserstoff in meine Dunkelkammer geraten sei. Es sei reiner Zufall, daß Jeremy das Gas eingeatmet hatte. Ich hätte keine Ahnung, warum jemand meine Dunkelkammer mit Gas vollgepumpt habe. Ich wüßte nicht, wer.
    Der Inspektor sagte, er glaube mir nicht. Solche Todesfallen würden niemandem ohne triftigen Grund ins Haus gelegt. Ich schüttelte den Kopf. Sprechen war immer noch eine Qual. Ich würde ihm den Grund

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