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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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um es aufzubewahren. Er hatte bestimmt reihenweise Ordner gehabt, in denen er seine Werke griffbereit hatte, und Dunkelkammerlampen und Meßbecher und Papierschneider und Filter.
    Das alles war bis aufs letzte Fitzelchen verschwunden.
    Wie die meisten ernsthaften Fotografen hatte er seine nicht entwickelten Filme im Kühlschrank aufbewahrt. Sie waren auch weg, hatte Steve gesagt, und sie waren wahrscheinlich der Anlaß für die Verwüstung der Küche gewesen.
    Ich schlenderte ziellos ins Wohnzimmer, machte das Licht an und fragte mich, wann ich wohl Steve wecken konnte, um ihm zu sagen, daß ich los ging. Das halb aufgeräumte Zimmer sah kalt und trist aus, ein erbärmlicher Anblick für die arme Mrs. Millace, wenn sie wieder nach Hause kam. Aus Gewohnheit und weil ich nichts weiter zu tun hatte, machte ich langsam da weiter, wo ich letzte Nacht aufgehört hatte, hob Scherben von Vasen und Nippes auf und sammelte unter den Stühlen verstreute Garnrollen und Nähutensilien ein.
    Halb unterm Sofa lag ein großer lichtundurchlässiger Umschlag, ein ganz normaler Gegenstand im Haus eines Fotografen. Ich sah hinein, aber er schien weiter nichts zu enthalten als ein durchsichtiges, dickliches Stück Plastik, etwa zwanzig Quadratzentimeter groß und an drei Seiten glatt abgeschnitten, an der vierten wellig. Auch Abfall. Ich steckte es in den Umschlag zurück und warf ihn in den Papierkorb.
    George Millaces Abfallschachtel stand offen und leer auf dem Tisch. Ohne besonderen Grund und sicherlich von nichts weiter als Fotografenneugier getrieben, nahm ich mir den Papierkorb vor und leerte ihn wieder auf den Teppich aus. Dann legte ich alle groben Schnitzer von George in die Schachtel zurück, in der er sie aufbewahrt hatte, und warf die Glas- und Porzellanscherben wieder in den Papierkorb.
    Ich sah mir die verdorbenen Abzüge und Filmschnipsel an und fragte mich, warum George sie wohl aufgehoben hatte. Fotografen waren, genau wie Ärzte, sehr darauf bedacht, ihre Kunstfehler schnell zu vertuschen, sie ließen sie eigentlich nicht als ständige Erinnerung an Katastrophen auf Zeitungsständern herumliegen. Rätsel hatten mir schon immer Spaß gemacht. Ich dachte mir, daß es ziemlich interessant wäre herauszufinden, warum gerade diese Dinge hier für einen Fachmann wie George von Interesse gewesen waren.
    Steve kam im Schlafanzug nach unten. Er wirkte zerbrechlich, hielt sich den verletzten Arm und sah matt dem Tag entgegen.
    »Mein Gott«, sagte er, »du hast ja alles aufgeräumt.«
    »Warum nicht?«
    »Ich danke dir.« Er sah die volle Abfallschachtel auf dem Tisch. »Er hat den Kram früher in der Tiefkühltruhe aufbewahrt«, sagte er. »Meine Mutter hat mir erzählt, daß es einmal ein Riesentrara gegeben hat, als die Tiefkühltruhe defekt war und die ganzen Erbsen und das Zeug aufgetaut sind. Die Hähnchen und so und die selbstgemachten Pasteten, die verdorben waren, waren meinem Vater völlig egal. Aber daß ein bißchen Eiscreme auf seinen Abfallkram ausgelaufen war, darüber hätte er sich gar nicht mehr eingekriegt.« Über Steves müdes Gesicht huschte ein Lächeln der Erinnerung. »Es muß eine herrliche Szene gewesen sein. Sie fand es furchtbar komisch, und als sie gelacht hat, ist er immer wütender geworden …« Er brach ab, das Lächeln erstarb. »Ich kann’s einfach nicht fassen, daß er nie wiederkommt.«
    »Hat dein Vater oft Sachen in der Tiefkühltruhe aufbewahrt?«
    »Aber sicher. Natürlich. Unmengen. Du kennst ja die Fotografen. Ständig in Panik, daß die Farben sich nicht halten. Er hat es dauernd davon gehabt, daß sein Werk in zwanzig Jahren dahin sein wird. Er meinte, der einzige Weg zum Nachruhm führe über die Tiefkühltruhe, und nicht mal das sei sicher.«
    »Tja …«, sagte ich. »Haben die Einbrecher auch die Tiefkühltruhe ausgeräumt?«
    »Ach, du meine Güte.« Er war ganz verdattert. »Das weiß ich nicht. Daran hab ich gar nicht gedacht. Aber warum sollten sie auf seine Filme aus gewesen sein?«
    »Die aus der Dunkelkammer haben sie gestohlen.«
    »Aber die Polizei hat gesagt, daß das reine Boshaftigkeit war. Eigentlich ging’s ihnen nur um die Ausrüstung, die können sie nämlich verkaufen.«
    »Hm«, sagte ich. »Dein Vater hat eine Menge Aufnahmen gemacht, die den Leuten gar nicht gefallen haben.«
    »Ja, aber doch nur zum Spaß.« Er verteidigte George wie eh und je.
    »Wollen wir nicht mal einen Blick in die Tiefkühltruhe werfen?« schlug ich vor.
    »Ja. Gut. Sie ist draußen

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