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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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nicht zuviel Mühe. Die Nachbarin von meiner Mutter macht das schon.«
    Ich hob einen kleinen Stapel Krimskrams auf: einen durchsichtigen Filmstreifen, etwa sieben Zentimeter breit und zwanzig Zentimeter lang, etliche Streifen eines Fünfunddreißig-Millimeter-Farbfilms, entwickelt, aber leer, und ein eigentlich hübsches Foto von Mrs. Millace, das durch Spritzer irgendeiner Chemikalie auf Hals und Haaren verdorben war.
    »Die waren in der Abfallschachtel, glaube ich«, sagte Steve und gähnte erneut. »Du kannst sie genausogut wegschmeißen.«
    Ich warf sie in den Papierkorb, genau wie ein fast schwarzes, in der Mitte durchgerissenes Schwarzweißfoto und ein paar Farbnegative, die mit Magenta-Flecken übersät waren.
    »Er hat sie aufgehoben, um seine gröbsten Fehler nie zu vergessen«, sagte Steve. »Es kann einfach nicht wahr sein, daß er nie mehr wiederkommt.«
    Ein weiteres, sehr dunkles Foto steckte in einem Aktendeckel, es zeigte die schemenhaften Umrisse eines Mannes, der an einem Tisch saß. »Willst du das aufheben?« fragte ich.
    Er schüttelte den Kopf. »Vaters Abfall.«
    Ich legte ein paar Frauenzeitschriften und eine Heftreihe über Holzarbeiten in den Zeitungsständer zurück und stapelte die Briefe auf dem Tisch. Was jetzt noch auf dem Boden herumlag, schien im wesentlichen aus zerbrochenen Porzellannippes, Überresten eines dünnbeinigen Nähkästchens, das gründlich zertrümmert war, und einem kleinen, umgekippten Schreibtisch zu bestehen, aus dessen Schubladen Kaskaden von Papier quollen. Sinn und Zweck der Verwüstung schien einzig und allein eine Demonstration von Lautstärke, Raserei und furchteinflößender Macht gewesen zu sein, was auch zu dem Geschubse, Gestoße und Gebrüll paßte, das Mrs. Millace beschrieben hatte. Randale mit dem Zweck zu verwirren und einzuschüchtern. Und als der Angriff auf ihren Besitz nichts brachte, hatten sie ihr Gesicht bearbeitet. Ich stellte den Schreibtisch auf, stopfte den Krempel, so gut es ging, wieder hinein und legte verstreute Stoffreste und jede Menge Wollknäuel auf einen Haufen. Schließlich konnte man wieder etwas freien Teppich sehen. »Schweinehunde« , sagte Steve. »Ich hasse sie. Ich bring sie um.«
    »Wie kommen die darauf, daß deine Mutter einen Safe hat?«
    »Weiß der Himmel. Vielleicht machen sie nur die Runde bei frisch verwitweten Frauen und schreien auf gut Glück ›Safe‹. Wenn sie einen gehabt hätte, hätte sie ihnen bestimmt gesagt, wo er ist. Wo sie gerade Vater verloren hat. Und der Einbruch gestern, während wir auf der Beerdigung waren. Ein schrecklicher Schlag nach dem andern. Sie hätte es ihnen bestimmt gesagt. Da bin ich ganz sicher.«
    Ich nickte.
    »Mehr kann sie nicht verkraften«, sagte er. In seiner Stimme schwammen Tränen, und seine Augen verdunkelten sich in dem Bemühen, nicht loszuheulen. Er war kurz vor dem Zusammenbruch, dachte ich. Seine Mutter würde mit Mitleid und Beruhigungsmitteln eingedeckt werden.
    »Zeit zum Schlafen«, sagte ich unvermittelt. »Komm, ich helf dir beim Ausziehen. Morgen wird es ihr schon besser gehen.«
     
    Ich wachte nach einer unruhigen Nacht früh auf und sah zu, wie die trübe Novembermorgendämmerung durchs Fenster kroch. Es gab eine ganze Menge in meinem Leben, wofür ich nicht aufstehen und dem ich mich nicht stellen wollte; zweifellos ein ganz normaler Zustand für den Großteil der Menschheit. Wäre es nicht wunderbar, mit sich selbst zufrieden zu sein, dachte ich verschwommen, und sich auf den bevorstehenden Tag zu freuen, nicht über bösartige Großmütter, die im Sterben lagen, und über die eigene deprimierende Unehrlichkeit nachdenken zu müssen? Als unbeschwerter, heiterer Mensch, der die Dinge nahm, wie sie kamen, haßte ich es, in unbequeme Ecken gedrängt zu werden, aus denen man sich nur durch Handeln befreien konnte.
    Mein Leben lang war mir alles zugefallen, hatte sich einfach ergeben. Ich hatte mich nie um etwas bemüht. Ich hatte gelernt, was sich mir angeboten hatte, egal was es war. Fotografie zum Beispiel wegen Duncan und Charlie. Reiten, weil meine Mutter mich in einem Reitstall abgeladen hatte. Und wenn sie mich bei einem Bauern abgeliefert hätte, würde ich heute zweifellos Heu machen.
    Überleben hieß für mich viele Jahre lang, das zu akzeptieren, was ich vorgesetzt bekam, mich nützlich zu machen, ruhig und nett zu sein und keinen Ärger zu machen. Es bedeutete Verdrängung und Abkapselung und Selbstdisziplin, so daß ich heute, als erwachsener

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