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Reflex

Reflex

Titel: Reflex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dick Francis
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wohl gar nicht erst anfangen. Irgendwo auf der Strecke hebt man dann den Blick zum Gipfel und sieht ein, daß man ihn nie erreichen wird; und Glück bedeutet dann, hinunterzuschauen und die Aussicht zu genießen, die man hat, und nicht die herbeizuwünschen, die man nicht hat. So etwa mit sechsundzwanzig hatte ich mich mit der Aussicht zufriedengegeben, die ich gewonnen hatte, hatte akzeptiert, daß ich nicht weiterkommen würde, und seltsamerweise hatte mich diese Erkenntnis ganz und gar nicht bedrückt, sondern vielmehr erleichtert. Ich war nie extrem ehrgeizig, aber immer bestrebt, mein Bestes zu leisten. Und besser ging es dann eben nicht. Es ging nicht, und damit basta. Trotzdem hätte ich sozusagen nicht direkt was dagegen, wenn man mir Gold Cup-Gewinner aufdrängte.
    An diesem Nachmittag in Sandown brachte ich das Hürdenrennen der Frischlinge ereignislos hinter mich (›brauchbar, aber ohne Feuer‹) und lief als Fünfter von achtzehn ein. Nicht übel. Eben das Beste, was ich und das Pferd an diesem Tag leisten konnten, wie üblich.
    Ich legte die Farben von Daylight an und ging zu gegebener Zeit hinaus in den Führring, ganz erfüllt von der Vorfreude auf das bevorstehende Rennen. Daylights Trainer, für den ich regelmäßig ritt, erwartete mich dort, desgleichen sein Besitzer.
    Daylights Besitzer tat mein freundliches »Wunderbar, daß es nicht mehr nieselt« mit einer Handbewegung ab und sagte ohne Einleitung: »Sie werden heute verlieren, Philip.«
    Ich lächelte. »Nicht, wenn ich es verhindern kann.«
    »Sie werden es verhindern«, sagte er scharf. »Sie verlieren. Mein Geld läuft auf der andern Schiene.«
    Vermutlich sah man mir meine Bestürzung und meine Wut deutlich an. Ich hatte so was früher schon gemacht, aber das war etwa drei Jahre her, und er wußte, daß es mir nicht paßte.
    Victor Briggs, der Besitzer von Daylight, war ein stämmig gebauter Mann in den Vierzigern, über dessen Job und Herkunft ich so gut wie nichts wußte. Ungesellig und verschlossen, tauchte er mit abweisendem, finsterem Gesicht bei den Rennen auf und wechselte kaum ein Wort mit mir. Er trug stets einen schweren marineblauen Mantel, einen schwarzen breitkrempigen Hut und dicke schwarze Lederhandschuhe. Er war früher ein aggressiver Wetter gewesen, und als sein Reiter war mir nichts anderes übrig geblieben, als zu tun, was er wollte, sonst hätte ich meinen Job bei dem Rennstall verloren. Harold Osborne, der Trainer, hatte mir schon bald, nachdem ich bei ihm angefangen hatte, offen gesagt, daß ich weg vom Fenster war, wenn ich nicht tat, was Victor Briggs wollte.
    Ich hatte Rennen für Victor Briggs verloren, die ich hätte gewinnen können. So lief das nun mal. Ich mußte essen und die Hypothek auf meinem Haus abbezahlen. Deshalb brauchte ich einen guten, großen Rennstall, für den ich reiten konnte, und wenn ich den einen, bei dem man mir eine Chance gegeben hatte, verlassen hätte, hätte ich vielleicht keinen anderen gefunden. So groß war die Auswahl auch wieder nicht, und einmal abgesehen von Victor Briggs waren die Bedingungen bei Osborne ganz in Ordnung. Also hatte ich, wie viele andere Reiter, die in der gleichen Klemme steckten, getan, was man mir befahl, und den Mund gehalten.
    Ganz zu Anfang hatte Victor Briggs mir ein ordentliches Sümmchen geboten fürs Verlieren. Ich hatte es nicht angenommen. Ich würde verlieren, wenn ich mußte, aber kassieren würde ich dafür nicht. Er sagte, ich sei ein aufgeblasener junger Idiot, aber als ich sein Angebot zum zweiten Mal ausgeschlagen hatte, behielt er seine Mäuse und seine Meinung über mich für sich.
    »Warum nehmen Sie’s nicht an?« hatte Harold Osborne gesagt. »Immerhin verlieren Sie die zehn Prozent, die Sie für einen Sieg bekämen. Mr. Briggs entschädigt Sie dafür, mehr nicht.«
    Ich hatte den Kopf geschüttelt, und er hatte nicht insistiert. Ich dachte, daß ich vielleicht wirklich ein Idiot war. Aber irgendwann hatte wohl Samantha oder Chloe oder wer auch immer mir die unwillkommene, unbequeme Einstellung vermittelt, daß man für seine Sünden büßen mußte. Drei Jahre lang oder mehr war ich nicht mehr in der prekären Lage gewesen; um so ärgerlicher war es, jetzt wieder damit konfrontiert zu sein.
    »Ich kann nicht verlieren«, protestierte ich. »Daylight ist eindeutig der beste von allen. Mit Abstand. Das wissen Sie ganz genau.«
    »Trotzdem tun Sie’s«, sagte Victor Briggs. »Und reden Sie nicht so laut, oder wollen Sie, daß die Stewards

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