Regenbogen-Welt (German Edition)
von Moctezumas Vater. Und er war exakt an der Stelle verborgen, an
der die geheimnisvolle Karte das Kreuz aufwies.
Jose kaute nervös auf der Unterlippe. Unruhig schritt er in
seinem Gemach auf und ab. Als es plötzlich heftig an der Tür klopfte, zuckte er
zusammen und rief: „Wer ist da?”
Ein erneutes Klopfen war die Antwort. Gefolgt von einer
verärgerten Stimme.
Claudius!
„Warum schließt du dich ein? Öffne gefälligst!”, herrschte er den
Freund durch die geschlossene Tür an.
Ein hässlicher, metallener Laut ertönte, als Jose den Schlüssel
drehte. Die Tür öffnete sich einen Spalt. Ungeduldig machte Claudius einen
Schritt nach vorn und drückte sie mit dem gesamten Gewicht seines Körpers in
den Raum. Jose, der dahinter gestanden hatte, wurde ein Stück nach hinten
geschleudert.
„Warum verschließt du die Tür?”, wollte Claudius erneut wissen
und runzelte mürrisch die Stirn.
„Mir ist nicht wohl in meiner Haut. Irgendwie werde ich das
Gefühl nicht los, dass wir in der Falle sitzen. Umzingelt von feindlichen
Rothäuten.”
Claudius lachte übertrieben laut. Wohl um sich selbst zu
überzeugen. „Du bist ein Hasenfuß, Piti”, stieß er hervor. „Ich werde doch mit
ein paar Wilden fertig.”
Jose stieß einen undefinierbaren Laut aus. „Wenn ich das nur
glauben könnte”, brummte er.
Noch vor wenigen Tagen hätte Claudius diese Reaktion verärgert.
Aber seit sie den Goldschatz gefunden hatten, war er bester Laune. Er trällerte
den ganzen Tag vor sich hin und rannte selbst in größter Hitze durch die Stadt.
Während sich Jose lieber in sein Gemach zurückzog.
So auch an diesem Tag. Die Hitze war so drückend, dass selbst die
Zunge am Gaumen klebte. Sie breitete eine unnatürliche Stille über die Stadt.
Kein Vogel und keine Grille brachten auch nur einen Ton hervor. Selbst die
lästigen Moskitos verkrochen sich. Erst wenn die Sonne unterging, kam wieder
Leben in die Stadt.
Jose ließ sich hinterrücks auf das Bett fallen und verschränkte
die Hände hinter dem Kopf. Er hatte Heimweh, sehnte sich nach Hause in sein
Atelier. Er brannte darauf, die Vielzahl der Motive künstlerisch umzusetzen.
Besonders eine Szene hatte ihn beeindruckt. Sie waren auf einem ihrer
Streifzüge auf den Mangan-Clan gestoßen, dessen Angehörige einen Bisontanz
aufgeführt hatten. So wie er für Prärieindianer vor der Bisonjagd üblich war.
Die Tänzer stellten dabei sowohl die Jäger, als auch die Tiere dar. Mit Hilfe
dieses Tanzes hofften die Mangan das Jagdglück günstig zu beeinflussen.
Jose hatte sich auf einen kleinen Hügel unweit des Platzes
gesetzt und die Tanzenden skizziert. In diesem vergänglichen Augenblick hatte
er sich eins mit der Natur gefühlt ... und mit dem roten Volk.
Schnell, viel zu schnell, hatten andere furchtbarere Bilder diese
mystische Nacht bei den Mangan verdrängt. Jose wollte auch die Schlachten und
die Toten festhalten. Es war zwar morbid, aber die Opfer und ihr unwürdiges
Sterben sollten nicht in Vergessenheit geraten.
Claudius stieß wieder sein dröhnendes Lachen aus. „Mach nicht so
ein griesgrämiges Gesicht, mein Freund. Nicht mehr lange, und wir
transportieren das Gold zur Küste und verladen es auf die Schiffe.”
Jose kniff die Augen zusammen und streckte seine gertenschlanke
Gestalt. „Und du glaubst, Moctezuma und sein Volk sehen dir seelenruhig dabei
zu?”
„Natürlich nicht, aber ich habe da schon eine Idee.”
Der Glanz in Claudius’ Augen ließ Jose frösteln. Er ahnte, dass
ihm die Idee nicht gefallen würde. „Und was soll das sein?”
„Wir nehmen Moctezuma gefangen!”
Jose schloss die Augen. Schwindel erfasste ihn. Nimmt das denn
nie ein Ende?, fragte er sich betrübt. Verfluchte sich zum millionsten Mal,
dass er diese unselige Reise mitgemacht hatte. „Und wie willst du das
begründen?”, fragte er mit belegter Stimme.
Claudius riss die Augen auf. Sein Blick zeigte deutlich, dass er
an dem Verstand seines Freundes zweifelte. „Wie ich das begründe? Ganz einfach.
Wir werden das Gerücht streuen, dass Moctezuma einen Angriff auf unsere Männer
plant, und schon haben wir einen triftigen Grund. Ich werde erst den Empörten
spielen, dass Moctezuma uns hintergangen hat, und dann werde ich ihm großmütig
verzeihen und ihm freie Hand lassen. Aber nur nach außen hin, versteht sich. Er
wird vor Dankbarkeit auf dem Boden kriechen.” Claudius klatschte wie ein
übermütiger Junge in die Hände und strahlte.
„Das geht nie und
Weitere Kostenlose Bücher