Regenbogen-Welt (German Edition)
Nachfolger vor Claudius und
bat um seinen Tod.
Es war der Tag, an dem das Volk der Goldenen Stadt unterging.
Der Sieg des weißen Mannes über das rote Volk war vollkommen. Es
genügte anscheinend nicht, ihre Zahl zu dezimieren, man sperrte die
kümmerlichen Reste des einst so erhabenen Volkes in Reservate, in denen sie
dahinvegetierten. Nahm ihnen nicht nur das Land, sondern auch ihre Wurzeln und
Tradition. Dabei lernte das weiße Volk von dem roten, wie es in der neuen Welt
überleben konnte. Machte sich neue Nahrungsmittel zu eigen. Darunter Mais und
Kartoffeln. Aber auch Medikamente wie Chinin, Ephedrin und Curare.
Die Geschichte zwischen den beiden Völkern endete unrühmlich. Das
rote Volk ging beinahe völlig unter. Es war keine Begegnung zweier Welten, die
sich zu einer nutzbringenden Einheit vervollkommneten. Es war die Unterdrückung
eines Volkes durch das andere ...
Der Nebel wurde dichter, legte sich wie ein weißer Mantel über
das Bild und deckte es zu. Hiawatha blies in die Glut des Feuers und schnippte
einige Male mit den Fingern. Saha und ihre Freunde fuhren, wie aus einem tiefen
Schlaf erwacht, auf. Ehe einer von ihnen etwas sagen konnte, erklang Hiawathas
Stimme. Heiser wie das trockene Rascheln gefallenen Laubes. „Ihr habt jetzt
einen wichtigen Teil der Geschichte eurer beider Rassen gesehen. Claudius und
sein Volk begingen den größten Völkermord in der Menschheit. Die nahezu völlige
Ausrottung des roten Volkes. Ihr wisst nun, welche Fehler es zu vermeiden gilt.
Lernt daraus! Ihr werdet den Weg der inneren Schönheit gehen, den Weg des
Herzens und erneut dem Zyklus der Schöpfung unterliegen.”
„Aber ich habe noch so viele Fragen”, hielt Barb ihm entgegen.
Die wichtigste Frage stand in ihren Augen, brannte in ihrem Herzen: Bin ich
Yoolgai? Gehöre ich dem roten Volk an?
Letzteres hatte sie sich bereits selbst beantwortet. Sie musste
nur ihre Haut betrachten, von der mittlerweile die feine, schwarze Behaarung
ihres alten Ichs völlig gewichen war.
Die erste unausgesprochene Frage beantwortete Hiawatha mit einem
ernsten “Ja!”. Und er wartete weitere Fragen erst gar nicht ab. Das, was sie
noch nicht in dem Zaubernebel gesehen hatten, hörten sie nun von ihm und Iman.
Dass es bei dem roten Volk verschiedene Clans gegeben hatte, war Saha und ihren
Freunden schon bewusst gewesen. Aber nicht, dass einige Stämme anspruchsvolle
Kunstwerke fertigten, feierliche Zeremonien abhielten, andere wiederum keine
Kunst hervorbrachten und nur Eidechsen und Heuschrecken sammelten. Manche Clans
waren führerlos, andere folgten einem Anführer – einem Häuptling. Einige
praktizierten Folterrituale, andere sammelten Menschenköpfe wie Pilze und
etliche versklavten ihre Gefangenen. Sie lebten entweder in Erdhöhlen, Tipis
oder Hütten.
Die weiße Rasse nahm sich nicht die Zeit, die Vielschichtigkeit
der über tausend verschiedenen Stämme zu erforschen. So wurde das rote Volk
pauschal in zwei Kategorien eingeordnet: Die der zügellosen Wildheit und jene
der angepassten Zivilisation.
Zu der Zeit, als Claudius und seine Männer die Küste des neuen
Kontinents erforschten und dann in die Wald- und Wüstenlandschaften des Inneren
vordrangen, gab es Kulturen des roten Volkes in allen Entwicklungsphasen.
Allein im Norden gab es mehr als fünfhundert Sprachen. Aber all das nahmen die
Eroberer nicht wahr. Hätten sie es, wäre ihnen aufgefallen, dass sie im Grunde
viel unkultivierter als die vermeintlichen „Wilden” waren, die sie beinahe
ausgerottet hatten.
„Wow”, entfuhr es Dahsani. „Das muss ja ein ziemliches
Durcheinander gewesen sein.” Er sah in die Runde. „Stellt euch vor, wir würden
jeder eine andere Sprache sprechen.” Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse.
„Grässliche Vorstellung.”
„Das kann ich mir lebhaft vorstellen.” Saha kicherte. „Wenn du
und Shash nicht dieselbe Sprache sprechen würdet, könntet ihr ja gar nicht mehr
streiten!”
Shash grinste breit. „Das wäre mächtig langweilig.”
Hazee stieß ihre spitzen, schrillen Schreie aus. „Unvorstellbar,
dass du dein ungehobeltes Verhalten nicht mehr in die Worte kleiden könntest,
die auch wir verstehen, Dahsani”, alberte sie übermütig. Sie schien die Einzige
in dem Kreis zu sein, die der Rückblick auf ihre gemeinsame Geschichte nicht
belastete.
Sie ist ja auch nicht betroffen, dachte Saha mit einer Spur
Boshaftigkeit, sie wird Tier bleiben, während Barb, Ishtar und ich ... ja,
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