Regenbogen-Welt (German Edition)
jedes einzelne Gesicht
ihrer Freunde. Blieb an Uhuras hängen. Die Eule hatte die ganze Zeit nicht ein
einziges Wort gesprochen. „Es ist Zeit, in die Vierte Welt aufzusteigen.”
Hiawatha nickte und sah Iman nachdenklich an. „Die Vierte Welt
wird sehr viele Gefahren für euch bereithalten. Sie ist die größte Prüfung, die
es zu lösen gilt, um in die Fünfte Welt aufsteigen. Noch nie ...” Er stockte.
„Noch nie haben es Wesen aus der Ersten Welt so weit geschafft wie ihr.”
Iman räusperte sich. „Kasur und ich werden sie begleiten,
Bruder.”
Saha wollte ihrer Freude darüber Ausdruck verleihen, als ihr
etwas Anderes einfiel. „Wo ist Kasur überhaupt?”
„Hier!”, ertönte eine bekannte Stimme hinter ihr. Saha wirbelte
herum und stieß einen Schrei aus. Vor ihr erwuchs ein großer Schatten. Es war
Kasur und auch wieder nicht. Es war die Gefiederte Schlange mit den Schwingen
aus der Nebelwelt. Erneut ertönte Sahas Schrei, in den sich Barbs mischte, als
sich Quetalcóatl, die Gefiederte Schlange, die einst Kasur gewesen war, vor
ihnen aufbäumte. „Ich bringe euch in die Vierte Welt. In die Welt der Heiligen
Leute!”, sagte sie zischelnd.
DIE HEILIGEN LEUTE
Die Vierte – die gelbe – Welt war größer als jede der bisherigen,
die sie durchreist hatten. Jabani begleitete sie nicht mehr. Sie war in einer
Höhle im Verlorenen Tal geblieben.
„Geht nur. Ich werde den Winter über hierbleiben”, sagte sie zum
Abschied.
„Aber Jabani”, protestierte Hazee. „Willst du uns wirklich nicht
begleiten? Bist du denn gar nicht neugierig auf die Neue Welt?”
Jabani gähnte ungeniert. „Doch das bin ich. Und wir werden uns
dort wiedersehen. Da bin ich mir völlig sicher!” Mehr war ihr nicht mehr zu
entlocken.
Iman hatte ihnen verraten, dass die Vierte Welt völlig vom Mond
beherrscht und daher die Vollständige Welt genannt wurde. Die Freunde wussten
damit nicht viel anzufangen. Aber das beschäftigte Saha nicht sonderlich.
Vielmehr musste sie darüber nachdenken, dass viele der Heiligen Leute Frauen
waren. Dass die Vierte Welt von Frauen bestimmt wurde. Im Positiven, wie auch
im Negativen.
War dies das fehlende Puzzleteilchen?
Saha hatte sich schon häufig gefragt, warum Barb und sie eine
besondere Rolle in dieser mystischen Schöpfungsgeschichte spielten. Warum
Ishtar und auch Maiitsoh, der immer mehr zu Barbs Beschützer wurde, nur die
zweite Geige spielten.
Lag in der Vierten Welt die Antwort?
Iman hatte sie in einen tranceähnlichen Zustand versetzt, der
ihren Verstand lähmte und sie willenlos machte. Aber es war kein beängstigender
Zustand, es war ein angenehmes Dahingleiten. Ein Dahingleiten in eine andere
Welt, das endlos schien.
Sie fanden sich alle unter einem Baum wieder. Niemand fragte, wie
sie in die Vierte Welt gekommen waren. Von einer natürlichen Scheu befangen,
sahen sie sich nur an und waren glücklich, überhaupt so weit gekommen zu sein.
Das war viel mehr, als sich Saha in ihren kühnsten Träumen ausgemalt hatte.
Auch wenn sie sich nicht mehr an ihr früheres Leben erinnern konnte. Die Vierte
Welt, hatte Iman ihnen bereits verraten, hielt sehr viel von dem ursprünglichen
Leben auf der Erde für sie bereit. Frauen waren die Schöpferinnen dieser Welt
gewesen. Sie waren sowohl Göttinnen wie auch Gebärende. Leiteten also die
Geschicke des Universums und sicherten den Erhalt der Rasse. Iman hatte ihnen
aber auch nicht verschwiegen, dass sich die männliche Herrschaft der
Schöpferinnen bemächtigt hatte. Was immer das zu bedeuten hatte.
In Saha waren schon immer Fragen gewesen. Und sie waren nach dem
Gespräch mit Iman nicht gerade weniger geworden. Interessant war auch, was die
weiße Schamanin ihnen verraten hatte: Dass die Erde unter ihnen – noch verwaist
– um die Sonne kreiste. Saha dachte daran, was sie im Verlorenen Tal gelernt
hatte: Die Erde war die Mutter des Universums. Wieder weiblich, dachte sie. Und
der Himmel war der Vater. Der Himmel, in dem sich die Regenbogen-Welt befand.
Sahas Gedanken schweiften wieder zurück zu der Erde. Alle Dinge dort sollten
ebenso lebendig sein wie in dieser Welt. Selbst die, welche nicht den Anschein
erweckten. Wie Steine und Sand. Aber auch Wasser. Was Saha weniger erstaunte,
denn das flüssige Element war sichtlich voller Leben und Energie.
Barb zupfte gutgelaunt an Sahas langem Haar. Wieder fiel Saha
auf, dass sie perfekte Gegensätze geworden waren. Barb dunkel mit
sonnengetönter Haut, sie
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