Regenbogen-Welt (German Edition)
nachdem die Schattengestalt wieder mit der
Nacht verschmolzen war. Sie behielt es für sich. Das war nicht das erste Mal,
dass sie den Freunden etwas verschwieg, und sie kam sich wie eine Verräterin
vor. Doch sie konnte einfach nicht anders. Dafür behielt sie Uhura sorgsam im
Auge. War die Eule tatsächlich der Heilige Bote, der sie in das Gelobte Land
führen sollte, wie es der Traum angedeutet hatte?
Saha folgte der Eule. Bannte sie mit ihrem Blick. Und hätte sich
sicher über kurz oder lang verraten, wäre nicht Iman wieder aufgetaucht.
Eines Morgens war sie einfach wieder da. Belächelte die
aufgeregten Fragen des Grüppchens, das merklich geschrumpft war. Vier Tage
waren sie, seit Saha den Schlangenbiss überstanden hatte, unterwegs, als Iman
zu ihnen stieß.
„Ihr wisst ja bereits, dass die Vier eine magische Zahl ist ...”,
sie brach ab, als ein merkwürdiges Geräusch ertönte.
Die Freunde blickten sich um.
Eine uralte Frau schlurfte, auf einen Stab gestützt, auf sie zu.
Mühsam, mit gebeugtem Rücken, setzte sie Bein vor Bein. Das tiefrunzelige
Gesicht wurde von Haaren – weiß wie Schnee – eingerahmt. Als sie vor den
Freunden stehenblieb, rang sie nach Atem.
Barb stieß einen undefinierbaren Laut aus. „Wer bist du?”, fragte
sie.
Die Alte streckte ihre knochendürren Arme aus. „Ich bin Sá,
Die-das-Alter-bringt”, sagte sie mit erstaunlich fester Stimme.
„Das fehlt uns gerade noch!”, entfuhr es Hazee, der mit Abstand
Eitelsten unter ihnen. Sie warf ihr kastanienbraun glänzendes Haar über die
Schulter und sah Barb herausfordernd an. „Ans Alter denken wir noch nicht,
oder?”
Wenn sie sich von Barb Schützenhilfe erhofft hatte, sah sie sich
getäuscht. Die hatte mit zwei oder drei Falten auf ihrer Stirn keine Probleme.
Im Gegenteil, sie vertrat die Ansicht, dass Altern zu einem natürlichen
Entwicklungsprozess gehörte. Und mit der Meinung hielt sie auch nicht hinter
dem Berg.
„Wir werden alle alt, Hazee. Dagegen können wir nun einmal nichts
machen.” Barb lächelte. Man sah ihr deutlich an, dass ihr der Gedanke keine
schlaflosen Nächte bescherte.
Das konnte man von Hazee nicht gerade behaupten. Ihr Gesicht
hatte sich bewölkt. Feindselig musterte sie Sá, die in gebeugter Haltung vor
ihnen stand. Dann öffnete sie den Mund, um etwas zu sagen, aber Ishtar kam ihr
zuvor.
„Du hast gehört, was Barb gesagt hat. Es gibt Wichtigeres und wir
können wirklich nichts dagegen machen.”
„Das könntet ihr schon”, widersprach Sá.
Hazee stieß ein triumphierendes. „Siehst du!” hervor.
Ishtar musterte Sá. „Verrätst du uns auch, was wir machen können,
um nicht älter zu werden?” In seinem Tonfall schwang eine für ihn ungewohnte
Herausforderung.
Sahas Kopf wirbelte herum. Oho, dachte sie erstaunt, du hast
anscheinend auch Probleme mit dem Alter, mein Lieber.
Die Greisin versuchte sich stöhnend aufzurichten. Ihr Blick
wanderte von einem zum anderen. Blieb dann an Ishtar hängen. „Ihr könntet mich
töten”, sagte sie ruhig. „Meine Aufgabe ist es, allen Lebewesen dieser und
anderer Welten allmählich die Lebenskraft zu entziehen. Bis sie schließlich ihr
Haupt zur ewigen Ruhe betten. Wenn ihr mich tötet, werdet ihr ewig jung bleiben
und leben. Aber das hätte zur Folge, dass das Universum bald überbevölkert
wäre.”
Nach ihren Worten trat längeres Schweigen ein.
Ishtar dachte lange nach. Dann nickte er. „Du hast Recht”, sagte
er. „Und das hätte fatale Folgen.”
Die Alte antwortete nicht. Sie drehte sich mit hängenden
Schultern herum und schlurfte einfach davon.
Iman forderte sie schon bald auf, weiterzugehen. Sie war ebenso
unruhig wie Uhura. Und das war mehr als erstaunlich. Das sah den beiden nicht
ähnlich. Die Unruhe färbte auf die anderen ab. Iman deutete auf Saha, die immer
noch die sieben Beutel bei sich trug, die ihr der Schamane gegeben hatte.
„Es ist an der Zeit, die Heilige Erde auszustreuen.”
„Hier?”, fragte Saha ungläubig. Nichts an der Umgebung war
mystisch oder wies auf einen Weg in die Fünfte Welt hin. Flaches Land, wo das
Auge hinsah. Flaches, zitronenblasses Land. Selbst das Himmelsgelb war heller
geworden. Saha blickte Barb und Ishtar an. Die beiden nickten zustimmend.
Maiitsohs Augen sprachen eine ebenso zustimmende Sprache. Waren eine stumme
Aufforderung.
So öffnete Saha die sieben Lederbeutelchen und schüttete die
Heilige Erde auf den Boden. In verschiedenen Farben lagen sie nun zu
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