Regenbogen-Welt (German Edition)
gebirgiger. Und das erschwerte
das Fortkommen. Shash quälte sein Gewicht über die unebene Felsenlandschaft,
während Tuc wieder zwischen seinen Ohren hervorlugte. Für ihn war die Reise
bisher enttäuschend verlaufen. Er hatte kein Weibchen seiner Rasse gefunden.
Dahsanis kurze Beine wollten auch nicht mehr so recht. Das Stachelschwein
beschwerte sich lauthals, aber niemand ging darauf ein. Selbst Azaa hatte Mühe,
Maiitsoh zu folgen. Nur Kasur hielt ohne große Anstrengung mit ihm Schritt. Sie
schlängelte sich in eleganten Bögen neben ihm her. Saha betrachtete die drei
und dachte, was die Legende über sie sagte.
In der Ersten Welt hatten Spinnen auch den Namen
“Mutter-Gottes-Tierchen” gehabt, womit Saha wenig anfangen konnte. Sie hatte
von den Alten immer nur gehört, dass es sich bei der Mutter Gottes um eine
heilige Person gehandelt hatte. Und Saha wusste, dass die Alten glaubten, dass
der Tod nahe bevorstand, wenn eine Spinne über ein Krankenbett lief. Bei Kasurs
Artgenossen stritten die Alten. Die einen behaupteten, dass geflügelte Schlangen
ebenfalls heilig seien, andere wiederum hielten sie für die Personifizierung
der zerstörerischen Boshaftigkeit. Der Wolf jedoch galt in den Fabeln immer als
besonders starkes Tier. Man munkelte sogar, er habe Götter gesäugt. Somit war
er etwas ganz Besonderes.
Maiitsoh stoppte.
So plötzlich, dass Saha gegen Barb fiel und zusammen mit ihr
gegen Shash prallte, der sie mit einem Lachen festhielt. „Hoppla, nicht so
schnell”, rief er gutgelaunt.
Saha befreite sich aus der Umklammerung. „Was soll das?”, fragte
sie unwillig und warf Maiitsoh einen frostigen Blick zu. Dann aber sah sie,
warum der Große Wolf so abrupt stehen geblieben war: Der Weg, dem sie gefolgt
waren, hörte plötzlich auf. Wie abgeschnitten fiel er in meilenweites Nichts.
„Was ist das?”, stotterte Dahsani und blickte auf das rotbraun
glänzende Gebirge, das wie Edelstein in der Sonne glitzerte.
„Das ist die Große Schlucht, du dummes Ding”, wies ihn Uhura
zurecht. „Es soll die gewaltigste und schönste dieser Welt sein.” Die Eule
stutzte. „Merkwürdig. Wir sind jetzt schon einigen Übereinstimmungen der Alten
Welt begegnet. Als ob ... aber das kann nicht sein.”
„Was kann nicht sein, Uhura?”, mischte sich Saha ein.
„Es kommt mir so vor, als habe der Große Geist das Beste und das
Schlimmste der Erde hinauf in die Regenbogen-Welt geschickt. Aber das ist ...”
„Unmöglich” wollte sie sagen, aber Saha nickte und erwiderte
ruhig. „Das kann doch durchaus sein.” Sie erwärmte sich immer mehr für den
Gedanken. „Vielleicht wollte der Große Geist damit eine neue, bessere Welt
schaffen. Und von dort die Lebewesen, die sich besonders hervorheben, hinab auf
die neue Erde schicken.”
Uhura lächelte nachsichtig. „Deine Vorstellung klingt zwar sehr
hübsch, aber sie hat einen entscheidenden Fehler.”
„Und welchen?”, fragte Saha ungnädig. Sie wollte nicht von der
verlockenden Vorstellung abweichen.
„Unter uns sind keine intelligenten Lebewesen aus Fleisch und
Blut. Nur Ins...”
„Nur Insekten” wollte sie sagen. Doch Hazee platzte dazwischen:
„Da muss ich aber entschieden protestieren. Ich bin sehr wohl aus Fleisch und
Blut. Und einige andere von uns auch.”
Uhura neigte den Kopf. „Das stimmt zwar, aber wir sind trotzdem
keine Menschen !”, erwiderte sie mit Nachdruck.
Saha seufzte. Sie ahnte, dass sie dem Geheimnis der
Regenbogen-Welt auf der Spur waren, aber der entscheidende Gedankenbaustein
fehlte ihnen noch. Sie blickte wieder von der bergigen Hochebene in die tiefen
Schluchten unter ihnen. Der Gedanke daran, wie sie diese durchwandert hatten,
ließ Saha frösteln. Sie dachte an die hohen, fast bedrückend steilen Felswände,
die Engpässe, die ihnen oft kaum Platz ließen. Unvergängliche Eindrücke
hinterließen die breiten Grotten, in denen sie rasteten. Es war eine eigenständige
Welt, in der die Götter ihre Heimat hatten. Ganz so, wie es die Alten immer
beschrieben hatten.
Und nun hörte sie jäh auf.
Über die Schlucht führte eine Brücke. Saha und ihre Freunde
starrten wenig begeistert in den Abgrund, der sich vor ihnen auftat. Und die
Brücke, die darüber führte, sah auch nicht gerade Vertrauen erweckend aus. Saha
hielt mit ihrer Meinung nicht lange hinter dem Berg. „Die sieht nicht sehr
stabil aus.”
„Das ist sie aber.” Shash baute seine massige Gestalt in voller
Größe auf. „Sie hält sogar mein Gewicht
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