Regenbogen-Welt (German Edition)
erinnerten, aber sich in einem wesentlichen Punkt unterschieden.
Sie blickten kälter und härter.
Saha spürte, wie sie einige Zentimeter an Größe verlor, löste
sich aber nicht aus dem Blickkontakt. Auch wenn es ihr schwerfiel, denn
Maiitsohs Blick drang tief in ihre Seele ein.
Genauso abrupt, wie er sie angesehen hatte, entzog er ihr seine
Aufmerksamkeit wieder und richtete sie auf Azaa. Er deutete mit dem Kopf in
Sahas Richtung. „Ist sie das?”, fragte er mit kehliger Stimme, die nicht nur
Saha durch Mark und Bein ging. Auch Barb sprach diese Stimme an. Jedoch auf
eine völlig andere Weise. Diese Gänsehaut erzeugenden Laute hatten das Flüstern
des Mondes in sich. Da war etwas Unterschwelliges, das ihr durch und durch ging.
Saha blickte sehnsüchtig in den Himmel. Sie wünschte sich in die
Dritte Welt. Viel zu lang hatte der Aufenthalt in der Zweiten Welt bereits
gedauert. Doch dann wurde ihr die Tragweite der Frage, die Maiitsoh an Azaa
gerichtet hatte, erst bewusst. Er hatte dabei auf sie gedeutet.
Saha fixierte Azaa durchdringend. „Was meint er damit?”
Maiitsoh maß sie mit einem kühlen Blick. „Das ist jetzt nicht
wichtig!”, sagte er gebieterisch.
„Antwortest du immer für Andere?”, zischte Saha zornig.
„Wenn es nötig ist”, erwiderte Maiitsoh gelassen, und das machte
Saha noch wütender. Aber sie kam nicht mehr dazu, etwas zu erwidern. Azaa
ergriff das Wort und erzählte dem Großen Wolf, warum sie zu ihm gekommen waren.
Maiitsoh blieb lange stumm. Das bot Saha die Gelegenheit, ihn
näher zu betrachten. Er war unbestimmten Alters. Von sehr kräftiger Statur, mit
zur Arroganz neigender Haltung. Wenn er das Maul öffnete, ließ er den Blick auf
ein gewaltiges Gebiss frei. Und in seinen Augen schwelte ein Feuer, das von
ungeheurer Kraft und Energie zeugte. Einer Kraft, die Saha in ihrer Meinung
bestärkte, dass es mit Bestimmtheit von Vorteil war, Maiitsoh nicht zum Feind
zu haben.
Im Moment war er über irgendetwas ungehalten. Sie fragte sich,
was es wohl war und wusste es bei seinen nächsten Worten. „Ihr habt die HOPE
also gefunden. Und die Zeitzeugen menschlicher Ignoranz.” Es klang unendlich
wütend und traurig.
„Das haben wir”, hörte sich Saha sachlich antworten und war
erstaunt über die Ruhe, die plötzlich in ihr war. „Und wir benötigen deine
Hilfe. Wir wollen die HOPE zerstören und wissen nicht wie.”
Maiitsohs Augen verzogen sich zu zwei dünnen, gelben Schlitzen.
„Die HOPE zerstören ...”, sagte er in Gedanken. „Wenn das so einfach wäre.” Er
blickte in die erwartungsvollen Gesichter rings um sich herum. „Das
Selbstzerstörungsprogramm wurde vernichtet. Die HOPE und ihr grauenhafter
Inhalt werden für ewig hier in der Zweiten Welt verbleiben. Als abschreckendes
Beispiel. Ich hoffe, dass die Kreaturen niemals zum Leben erwachen.”
„Das hoffe ich auch”, pflichtete ihm Saha bei. Ihr Blick streifte
Shirkan, der immer noch mit fahlem Gesicht neben ihr stand. Er glich einem
Greis. Sein Anblick schnitt ihr tief ins Herz.
„Was ist mit dir, Shirky”, fragte sie ihn sanft und erntete einen
erstaunten Blick von Maiitsoh. Sie ignorierte ihn. Ihre ganze Sorge galt
Shirkan, ihrem zweiten Vater.
Der holte tief Luft und reckte sich mühsam. „Es ist alles in
Ordnung, Kind”, versuchte er sie zu beruhigen. Doch die offensichtliche Lüge
konnte Saha nicht davon ablenken, dass er vor ihren Augen alterte.
Azaa und Maiitsoh redeten erregt aufeinander ein. Im Verlauf des
phasenweise sehr hitzigen Gesprächs sahen sie immer wieder Saha an. Die hatte
ihrerseits das Gespräch gesucht. Sie teilte ihre Sorge über Shirkans Zustand
Barb und Hazee mit. Als Azaa und Maiitsoh ihr Gespräch beendet hatten, stand
fest, dass auch der Große Wolf sie begleiten würde.
Von dem Zeitpunkt an war er der Anführer der kleinen Gruppe. Er
war ohnehin der geborene Rudelführer. Der Alphawolf, dem sich alle
unterzuordnen hatten. Selbst Ishtar fügte sich. Saha murrte zwar innerlich, sie
widersetzte sich aber nicht. Ihre Gedanken waren schon wieder auf die Dritte
Welt gerichtet.
Sie wollte endlich weiter!
Nach einigen Stunden beschwerlichen Fußmarsches, die
Morgendämmerung ließ den neuen Tag bereits auf die Welt los, wünschte sich Saha
allerdings wieder in einen gemütlichen Baum zurück. Maiitsoh trieb sie
unbarmherzig an. Ihn schienen die Kräfte nie zu verlassen. Er verfügte über die
Kondition eines Wolfsrudels. Die Gegend wurde wieder
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