Regenbogen-Welt (German Edition)
Dickicht und streifte Shash. Der Bär trat ungeduldig
von einer Tatze auf die andere. Es sah aus, als tanze er. Saha lächelte
wehmütig. Zwischen seiner wuscheligen Stirnlocke vermisste sie Tucs keckes
Gesicht. Mochte der Käfer auch noch so klein und unauffällig gewesen sein, so
fehlte er doch.
„Seht nur”, rief Hazee aufgeregt in Sahas Überlegungen hinein.
Sie folgte mit dem Blick dem ausgestreckten Zeigefinger des Eichhörnchens, das
aufgeregt in die Richtung des Ufers deutete. Genau genommen auf einen
länglichen Gegenstand, der im Schlamm lag und auf sie zu warten schien.
Vielleicht sogar für sie bereitgestellt worden war?
Blödsinn, schalt sich Saha. Wer sollte schon für sie ein ... ja,
was sahen sie da vor sich? Saha kam das Boot, denn das war es wohl, bekannt
vor. Sie ging näher an das sonderbare Gefährt heran und berührte es vorsichtig.
Es war aus Holz. Meisterlich geschnitztem Holz.
Und es war riesengroß.
„Wow!”, entfuhr es Shash und Dahsani einstimmig. Sie folgten Saha
und berührten ehrfürchtig das Boot. „Das Ding kommt wie gerufen.”
Kasur schlängelte sich beneidenswert elegant durch den Schlamm
auf das Boot zu, umrundete es und stieß zischelnd vor Aufregung ihre gespaltene
Zungenspitze hervor.
„Es ist ein Kanu der Navajos”, drang es undeutlich zu Saha
herüber. Bevor diese fragen konnte, was das zu bedeuten hatte, fuhr Barb herum.
„Sagtest du Navajos?”, fragte sie mit heiserer Stimme.
Saha blickte sie erstaunt an. Was war denn in die Freundin
gefahren? „Sagtest du Navajos?”, wiederholte Barb. Sehr eindringlich und sehr
aufgeregt.
Kasur nickte. Kroch weiter um das Boot herum und schlängelte sich
zuletzt hinein. Barb machte einige Schritte nach vorn. Es sah so aus, als wolle
sie der Schlange folgen und das Kanu besteigen.
Doch Saha hielt sie zurück. „Warte!”, rief sie.
Langsam drehte sich Barb zu ihr herum. Ein fiebriges Leuchten
glomm in ihren Augen. Eines, das Saha nicht gefiel. Das sie stutzig machte. Und
zur Vorsicht riet.
„Warte”, stieß sie erneut hervor. „Wer oder was sind Navajos?”
„Ein Clan. Ein Clan des roten Volkes.”
„Roten Volkes?” Saha verstand kein Wort.
Barb befreite sich aus dem Klammergriff. „Das ist eine lange
Geschichte ... dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wenn wir im Verlorenen Tal
sind, werden wir die Antwort finden. Ich weiß auch nicht alles ... nicht viel
... eigentlich so gut wie gar nichts ... und hoffe, dort die fehlenden
Puzzleteilchen zu finden ... und jetzt komm!”
Saha zuckte ergeben die Schultern, drehte sich zu Maiitsoh herum
und forderte ihn und die Anderen auf: „Folgen wir dieser Hektikerin. Los,
steigt in das Kanu!”
Wieder betrachtete sie das schlanke, spitze Boot, das ihr seltsam
bekannt vorkam. Und plötzlich wusste sie, wo sie es schon einmal gesehen hatte.
In einem ihrer Träume.
Sie ließen das Boot zu Wasser und bestiegen es. Kamen sich dabei
wie Selbstmörder vor. Sie spürten zwar die Gefahr, aber das allein zählte nicht
mehr. Zu viel war geschehen. Ihre Reise hatte schon die Leben alter und neuer
Freunde gekostet. Sie hatten keine Zeit mehr, Angst zu empfinden. Sie gar
auszuleben. Ein selbst geschaffener Mut erwachte in ihnen. Und das
stimulierende Gefühl der Zusammengehörigkeit, wie es Saha, die Einzelgängerin,
noch nie in ihrem Leben verspürt hatte. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war,
empfand sie es als ein wundervolles Gefühl.
Beherzt ergriff Shash das Paddel und stieß das Boot vom Boden ab.
Es hüpfte einige Male auf und ab und senkte dann die Spitze. Passte sich dem
Verlauf des Wassers an. Wurde schneller und schneller. Steigerte seine
Geschwindigkeit durch das Tempo der Stromschnellen.
Saha und Barb schlossen die Augen und klammerten sich aneinander.
Auch die Anderen hielten sich gegenseitig umschlungen. Das Kanu war perfekt in
seiner Form. Es schoss wie auf glattem Eis die Wasseroberfläche entlang, senkte
sich dann mit dem Wasserfall hinab und glitt elegant zu Tal. Saha spürte die
erregende Kombination aus Gefühlskitzel und dumpfer Angst. Wasserfontänen
spritzten in das Innere des Kanus. Saha und Barb schrien wie ausgelassene
Kinder. Das Wasser benetzte ihnen Gesicht und Haar. Prustend schnappte Saha
nach Luft, als sie ein Schwall traf und fuchtelte, um die Balance zu halten,
mit den Armen. Die Geschwindigkeit des Kanus nahm noch mehr zu. Wie ein geölter
Pfeil schoss es hinab ins Tal.
Sie kamen alle wohlbehalten an, was schon an ein Wunder
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