Regenbogen-Welt (German Edition)
glückliches Schimmern. Barb wusste nicht,
woher dieses Glücksgefühl rührte. Aber sie wusste, dass in dem Verlorenen Tal
ein wichtiger Hinweis ihres Ursprungs schlummerte. Und sie brannte darauf zu
erfahren, wohin sie gehörte.
Sie hatten die Graslandschaft verlassen und folgten wieder dem
Verlauf der vereinten Silberflüsse. Süßduftende Malvensträucher säumten ihren
Weg. Die duftigen Dauerblüher setzten mit ihrem sonnigen Charme blasslila
Farbtupfer. Wie zarte Schmetterlinge saßen die Blüten an den Trieben. Als
wollten sie sich in der nächsten Sekunde in die Luft erheben.
Die jäh auftretende Windstille breitete atmende Ruhe über das
Land. Farbiges Gefieder kleiner Vögel schimmerte zwischen den schwellend grünen
Baumkronen des immer dichter werdenden Waldes. Barb bewegte sich mit
katzenhaften Bewegungen neben Maiitsohs bulliger Gestalt. Ihnen folgten Saha
und Ishtar. Hand in Hand. Dahinter die Freunde. Ebenfalls in Zweierreihe. Es
glich einer Prozession. Einer stummen Prozession ins gelobte Land.
Die dichter gewordenen Baumreihen lichteten sich wieder und
ließen den Blick auf eine wild zerklüftete Felsenlandschaft frei. Dort legten
sich Saha und ihre Freunde zum Schlafen nieder. Dahsani schnarchte nach wenigen
Minuten wie eine Mammutherde. Das hinderte die Anderen nicht daran, ebenfalls
einzuschlafen. Bis auf Saha und Barb. Dicht aneinander gekuschelt saßen sie an
einen Felsen gelehnt und sprachen leise aufeinander ein. Geisterhafte
Nebelfinger griffen nach ihnen. Sahas Blick suchte Barbs. Die entschwundene
Vertrautheit zwischen ihnen war neu erwacht. Anders, aber nicht minder
intensiv.
Saha dachte an ihre Wegbegleiter, die mit ihnen einen festen
Verbund gebildet hatten. Die Strapazen und Gefahren auf sich genommen hatten,
nur um ihnen zu folgen. Sie hörte die Laute, die sie im Schlaf ausstießen. Die
wirre Träume ihnen entlockten. Sie wusste, dass dies die einzige Möglichkeit
für die Freunde war, das bisher Erlebte in ihrem Unterbewusstsein zu
verarbeiten. Und sie wusste, dass sie neue Kraft daraus schöpften. Den Weg
mussten auch sie und Barb beschreiten. Auch wenn Saha noch hellwach war und
sich nicht vorstellen konnte, auch nur ein Auge zuzumachen.
Sie seufzte. „Wir müssen versuchen zu schlafen, Barb”, flüsterte
sie, um die Anderen nicht zu wecken. „Morgen wird bestimmt ein anstrengender
Tag.”
Barb kicherte. „Als ob das die Tage zuvor nicht auch schon
gewesen wären.” Sie ließ sich vorsichtig zu Boden gleiten und zog wie ein
kleines Kind die Knie an den Leib.
„Schlaf gut, Saha”, murmelte sie.
„Du auch!” Saha sank zu Boden und rollte sich auf die Seite.
Bettete den Kopf auf die Arme und versuchte ebenfalls Schlaf zu finden.
Erstaunlicherweise gelang es. Ihr Geist verschleierte sich, wurde schwerer und
sackte ab. Verlor sich im Nichts. Tauchte in eine mysteriöse Traumwelt. Geflügelte
Drachen, rotgesichtige Menschen, Geistwesen und andere merkwürdige Gestalten
beherrschten die Welt ihres Unterbewusstseins. Sie alle nahmen Saha gegenüber
eine bedrohliche Haltung ein. Vergifteten und fesselten ihren Geist.
Verzweifelt versuchte sie sich aus dieser Umklammerung zu befreien. Aber es
gelang ihr nicht. Immer wenn sich ihr Geist an die Oberfläche kämpfen wollte,
ihr Schlaf leichter wurde und sie kurz vor dem Erwachen stand, wurde sie von
dem wirren Bild, das die Traumwesen ihr aufzwangen, wieder hinuntergezogen.
Wurde von ihnen wie von tanzenden Kindern umringt, die einen üblen Streich
ausheckten. Ihr Lachen dabei verhieß nichts Gutes.
Saha fuchtelte wild mit den Armen, um die Gestalten zu
verscheuchen. Sie schlug immer noch um sich, als Ishtar und Barb sie weckten.
Sie endlich aus der unliebsamen und bedrohlichen Traumwelt befreiten.
„Saha!”, rief Ishtar besorgt. “Wach auf! Du hast einen Alptraum!”
Er hielt mit sanfter Gewalt ihre Arme fest, die sich immer noch wie
ferngesteuert bewegten.
Wie durch einen Nebelschleier wurde Saha bewusst, dass der Schlaf
sie aus seinem beängstigenden Reich freigelassen hatte, und sie sank
erleichtert in Ishtars Armen zusammen.
„Es war furchtbar”, wimmerte sie.
„Was hast du denn geträumt?”, wollte Hazee neugierig wissen.
Saha löste sich aus Ishtars Umarmung. „Daran will ich lieber
nicht denken.” Sie fuhr sich mit der Hand über die Stirn, richtete sich auf und
blickte geradewegs in Maiitsohs Augen. Der Große Wolf war immer schon
schweigsam gewesen. Aber er hatte seit Tagen eine Art, sie
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