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Regency Reality-Show

Regency Reality-Show

Titel: Regency Reality-Show Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Hertig-Binz
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von ihren Lieben zu verabschieden. Danach würden wir für zwei Monate von der modernen Aussenwelt abgeschnitten sein – kein Internet, kein Fernseher, kein Handy – nichts ausser Pergament und Tinte.
    Schauspieler ohne eigenes Pferd wurden zu Bediensteten, alle anderen wurden zu Adeligen, die an einer zweimonatigen Hausparty auf dem Landsitz des Earls of Cambridge teilnahmen. Ich hatte als die achtzehnjährige Tochter Gertrud des österreichischen Grafen von und zu Thundorf aufzutreten. Ich würde am dritten Tag nach Beginn der Realityshow mit meinen Eltern, einer Zofe, einem Kammerdiener und einem Kutscher anreisen.
    Bevor ich als Grafentochter losfahren konnte, wurde mir nochmals eingeschärft, auf keinen Fall aus der Rolle zu fallen, mögliche Regieanweisungen, die getarnt als Briefpost auf dem Landsitz verteilt würden, immer zu befolgen und mich während den nächsten zwei Monaten königlich zu amüsieren.
     
    ***
     
    Königlich amüsieren – dass ich nicht lache, mir war hundeelend vom Geschaukel in der engen Kutsche. Ich sass eingeklemmt neben meinem korpulenten Vater und stiess die Knie dauernd mit unserer Zofe Anna zusammen, die neben meiner Mutter ähnlich bleich wirkte. Bestimmt hatte es unser Kammerdiener besser, der vorne neben dem Kutscher sitzen durfte. Der Schweiss perlte langsam zwischen meinen Brüsten herunter und sammelte sich im eng geschnürten Korsett, wo sich der Stoff langsam dunkel verfärbte.
    Jetzt wusste ich, warum Reisende sich früher immer erst auf ihr Zimmer zurückziehen mussten, ehe sie sich mit den Gastgebern zusammensetzen konnten. In all dem Stoff und ohne mein wirksames Deo stank ich bereits wie ein verschimmelter Käse. Vielleicht kamen die Düfte aber auch eher von meinem Vater. Der sah auch nicht gerade frisch aus. Schweigend liess ich die Fahrt über mich ergehen und hing meinen Gedanken nach.
    Endlich am Ziel. Mit letzter Kraft schleppte sich das Vierergrüppchen ins Freie und japste erstickend nach Luft, soweit es die eng geschnürten Mieder der Damen zuliessen.
    „Mama, darf ich ausreiten? Ich brauche ein Bisschen frische Luft.“
    „Aber mein Kind, wir sind gerade erst eingetroffen. Es schickt sich nicht, gleich davonzurennen. Erst werden wir unsere Zimmer beziehen und dann gibt’s etwas zu Essen. Du kannst morgen ausreiten.“
    „Herzlich willkommen Eure Lordschaft. Ich bin Higgins, der Butler. Wenn Sie mir bitte folgen wollen, ich bringe Sie auf Ihre Zimmer, damit Sie sich frisch machen können.“
    Das Anwesen war riesig. Es bestand aus mehreren Gebäuden. Das Hauptgebäude bildete ein grosses U. Der Graf von Thundorf wurde mit seiner Frau im zweiten Stock des Westtrakts untergebracht, ich erhielt ein Zimmer direkt daneben.
    Da Anna Mutter erst beim Auspacken und Umkleiden helfen musste, genoss ich die ruhigen Minuten in meinem geräumigen Zimmer. Ich riss die grossen Fenster weit auf und lehnte hinaus, um mir vom Gelände einen Überblick zu verschaffen. Mein Zimmerfenster war nicht zum Innenhof hin. Über weite Felder konnte ich bis zum nahe gelegenen Wald sehen. Rechts spiegelte die Oberfläche eines kleinen Sees und wenn ich mich ganz weit nach draussen lehnte, konnte ich links einen Teil der Stallungen sehen. Direkt vor dem Haus erstreckte sich ein wunderschön angelegter Rosengarten der weiter rechts in ein uneinblickbares Labyrinth überging.
    Ein leises Klopfen ertönte, dann streckte Anna ihren Kopf zur Türe rein.
    „Kann ich Ihnen jetzt beim Umziehen helfen, Lady Gertrud?“
    „Oh bitte Anna, hilf mir aus dem Stoffhaufen raus. Ich schmelze hier. Habe ich ein leichtes Sommerkleid dabei?“
    Nach längerem Hin und Her entschieden wir uns für ein mintgrünes Musseline-Kleid mit Puffärmeln und hoch sitzender Taille, bei dem man das Korsett weglassen konnte.
    Anna war ganz begeistert von meinem dichten braunen Haar, das mir fast bis zur Taille reichte. Sie liess sich nicht beirren in ihrem Vorhaben und steckte die Haarpracht zu einer Krone auf.
    „Bist Du endlich fertig? Für den Nachmittagstee hätte ein einfacher Pferdeschwanz bestimmt gereicht. Es ist wunderschön, aber ich habe keine Lust täglich stundenlang still sitzen zu müssen, damit Du all Deine Ideen mit meinen Haaren umsetzen kannst. Beeil Dich. Ich habe Hunger!“
     
    ***
     
    Das Wohnhaus war riesig. Bei dieser Grösse und den vielen Erker und Türmen sprach man wahrscheinlich eher von einem Schloss. Obwohl das Haus übersichtlich U-förmig angelegt war, konnte man sich leicht

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