Regency Reality-Show
Zeit zu leben, hätten sie mich bestimmt nach meinem Liebesleben ausgefragt, aber so versuchten sie ihre Neugierde in möglichst unverfängliche Worte zu packen.
Ich war nicht bereit, es ihnen zu einfach zu machen. Viel zu rasch waren Sie für meinen Geschmack bereit gewesen, mich für eine grosse Show an Robert abzutreten. Jetzt waren sie mich los – das hatten sie nun davon.
„Das Leben mit ihm ist wunderbar. Aber ich weiss nicht, wie lange wir noch hierbleiben können. Wohl kaum werden wir die ganzen eineinhalb Monate bleiben, denn es wartet viel Arbeit auf Lord und Lady Ayrshire.“ Da, verdaut das erst mal ihr überheblichen Von-und-Zus, dachte ich dabei.
„Aber Liebes, Ihr könnt uns doch nicht so früh schon verlassen! Gustav und ich haben für die ganze Hausparty zugesagt und gehofft, Dich noch so lange um uns zu haben.“ Nun wurde es Mama wohl allmählich bewusst, dass sie mit mir einen wichtigen Blickfang der Kameras verloren hatte, denn ihre Stimme wirkte schrill. Tja, das hatten sie nun davon, dass sie mich über meinen Kopf hinweg verheiratet hatten.
„Da bin ich überfragt. Wendet Euch doch direkt an Robert. Wir werden bei den Aktivitäten am Nachmittag und Abend wieder mit von der Partie sein. Da werdet ihr ihn sicherlich treffen.“
Gleich hellte sich Mutters Gesicht auf. Bestimmt fing sie in Gedanken bereits an, mögliche Szenarien mit dem Earl zu planen. Ich lächelte nur und dachte, welch ein Glück ich doch bisher gehabt hatte. Es hatte sich alles wie von selbst ergeben. Keine Szene hatte ich planen und spielen müssen, ich lebte einfach und tatsächlich: Ich amüsierte mich königlich, was ich zu Beginn nicht für möglich gehalten hatte.
***
Als Robert und ich später Arm in Arm die Terrasse betraten, wo ein grosses Buffet für ein leichtes Mittagessen aufgebaut war, gab es einen spontanen Applaus. Mutter kam sofort auf uns zugeeilt. Bestimmt wollte sie auch ein paar Sekunden von dem Ruhm einheimsen. Sie steuerte uns direkt ans Buffet, wo mein Vater bereits dabei war, Speisen kunstvoll auf seinem Teller zu einem Turm aufzuschichten.
„Papa, schön Dich zu sehen. Was kannst Du uns empfehlen?“ Ich sah fragen auf seinen Teller.
„Es schmeckt eigentlich alles, also nehme ich immer von allem etwas.“ meinte er vergnügt und schien wegen seiner Hamstermanieren keineswegs verlegen. Wir schöpften uns etwas moderatere Portionen vom kalten Truthahnbraten, dazu Bohnensalat und getoastetes Brot. Die Speisenauswahl auf dem Buffet war zwar deutlich grösser, aber das Essen selbst war mindestens ebenso lecker gewesen, als wir in unserem privaten Wohnzimmer gegessen hatten.
„Es freut uns sehr, nun auch wieder die Frischvermählten unter uns zu haben.“ grüsste uns die Gastgeberin. „Für heute ist eine Treibjagd vorgesehen. Damen sind herzlich eingeladen mit zu reiten, vor allem versierte Springreiterinnen“ dabei sah sie mir direkt in die Augen, „Für alle anderen, die nicht an der Jagd interessiert sind werden wir am See Staffeleien aufbauen und Wasser- und Ölfarben zur Verfügung stellen.“
„Gibt’s auch ein Ersatzprogramm für die Herren?“ wollte ein weisshaariger Greis wissen, der es bestimmt in keinen Sattel mehr schaffte.
„Natürlich, Euer Gnaden, Links neben dem Wagenschopf halten wir Fischerruten bereit. Damit kommen sie mit an den See. Für Erfrischungen wird gesorgt sein.“
Nach dieser Ansprache unterhielt ich mich leise mit Robert: „Was meinst Du, soll ich mit auf die Jagd? Das sah mir doch stark nach einer persönlichen Aufforderung aus.“
„Du bist eine ausgezeichnete Reiterin, Lassie, problemlos könntest Du vorneweg reiten – auch in einem völlig männlichen Feld. Die Frage, die Du Dir stellen solltest ist eine andere: Willst Du wirklich hinter einem süssen kleinen Fuchs herjagen?“
Damit hatte Robert natürlich meinen Nerv getroffen. Ich liebte alle Lebewesen. Tiere waren grundsätzlich meine Freunde. So gesehen gab es eigentlich nichts zu überlegen.
„Denkst Du, ich könnte auch fischen?“ Robert sah mich fragend an. „Ich kann beim besten Willen nicht malen. Ein Zweijähriger wirkt gegen mich wie Rembrandt.“ Das schien meinen Adonis zu amüsieren.
„Ich schlage einen Deal vor: Du reservierst eine Staffelei mit Ölfarbe und ich bringe eine Fischerrute. Dann tauschen wir.“
„Du kannst malen?“
„Für den Hausgebrauch.“ Darauf war ich gespannt. Ich konnte es kaum erwarten, endlich aufzubrechen.
Natürlich hatte es
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