Regency Reality-Show
zurückkam, tobte eine Seuche in unserem Gebiet, die nebst meinem Vater auch viele Pächter und ihre Familien dahinraffte. Hilflos musste ich dabei stehen und zusehen, wie unzählige lieb gewonnene Menschen um mich herum starben und wie ein Grossteil dessen, was mein Vater aufgebaut hatte, innert kürzester Zeit vernichtet wurde. Ich schwor mir, für einen ähnlichen Fall besser gewappnet zu sein.“ Die Geschichte war herzzerreissend. Wie ein nachträglicher Gedanke fügte er an: „Seit ich nebenbei als Arzt praktiziere florieren meine Ländereien. Es scheint, dass ich ihnen die notwendige Sicherheit geben kann, die sie brauchen, um ihren Alltag so sorgenfrei wie möglich gestalten zu können.“
Schön, Milfords Lebensbeichte war noch besser, als die Novellen, die mir fast stündlich serviert wurden.
***
Grant war zum grossen Kenner der hiesigen Küche herangewachsen. Es war gut möglich, dass er sich stets freiwillig zum Essenholen meldete, weil er wirklich verfressen war, es könnte aber auch sein, dass ihm eine Küchenmagd besonders gut gefiel – oder beides. Jedenfalls schleppte er die besten Leckereien an, die immer mit Wonne vertilgt wurden. Was vor allem auch an Scotts fleissigen Besuchen lag – ich hegte den Verdacht, dass er mich nur deshalb so häufig besuchte, weil er keine der spontan dazwischen geschobenen Zwischenmahlzeiten verpassen wollte.
Am eindrücklichsten war allerdings Robert. Der sass oder lag die ganze Zeit neben mir, hielt meine Hand, flösste mir Wasser und Tee ein, strich mit den Lippen über meine Stirn – um sich nach einem plötzlich aufkeimenden Fieber zu vergewissern, was er offensichtlich alle paar Minuten tun musste – und sah mir andauernd besorgt in die Augen. Konnte diese Fürsorge nur gespielt sein? Wohl kaum. Kein Schauspieler war so gut, nicht einmal mein Adonis. Die schützende Wand, die ich um mein Herz aufgebaut hatte, fing langsam zu bröckeln an.
***
„Essen ist da, möchten Sie kurz aufstehen, Countess?“ erkundigte sich Grant am Nachmittag des zweiten Tages.
„Ja bitte, mir tut der Rücken vom ewigen Liegen weh. Lasst uns drüben essen.“
Robert half mir sachte aus dem Bett und legte mir den Morgenmantel um die Schultern. Jeden meiner Schritte verfolgte er mit Argusaugen, als ob er erwartete, dass ich jeden Augenblick umkippte.
„Es geht mir gut“, versicherte ich ihm.
Es war ein herrliches Gefühl, als wir wieder wie fünf Freunde um den Tisch sassen. Zwar behandelten sie mich immer noch wie eine Invalide, aber mit aufrechter Haltung fühlte ich mich nicht mehr ganz so hilfsbedürftig.
„Diese Platte mit leckeren Muffins schickt Ihnen die Köchin persönlich und wünscht gute Besserung, my Lady.“ Grant pries das Essen wie ein geübter Marktschreier an.
„Danke, als Nachspeise gerne, anfangen möchte ich lieber mit dem Bergkäse, der ist besonders würzig.“ Grant zuckte die Schultern und angelte sich gleich zwei Muffins von der bunten Platte. Dies wirkte wie ein Startschuss, denn nun langten alle kräftig zu und als Robert gerade seinen ersten Bissen runter schluckte, schnappte ich mir das letzte Muffin, bevor Scott es sich einverleiben konnte. Als ich es zu meinem Mund führte, wurde es mir unsanft aus der Hand geschlagen. Ich war nicht die einzige, die Robert fragend ansah.
„Warum hast Du nicht von unserer Hochzeitstorte gegessen?“ wollte er wissen.
„Die war über und über mit geschälten Mandeln verziert. Ich bin allergisch auf Mandeln.“
„Was passiert, wenn Du trotzdem einmal versehentlich Mandeln isst?“
„Mein Gesicht und Hals schwellen an bis zu dem Punkt, wo ich keine Luft mehr kriege.“
„Ist dies schon einmal vorgekommen?“ Robert sah mich sehr besorgt an. Stumm schob ich den Stoff an meinem Nachthemd zur Seite, bis meine Narbe vom Luftröhrenschnitt zu sehen war.
Entsetzte Gesichter starrten mich an, dann angelte Grant nach einem Zettel in der Jackentasche und reichte ihn Robert hinüber. Als er ihn langsam auseinanderfaltete beugte ich mich zu ihm, um mitzulesen: Verwöhnen Sie Gertrud mit etwas Süssem. Die Köchin wird eine Platte Muffins für Sie bereithalten. Sehen Sie zu, dass Gertrud eines davon abbekommt.
Der Zettel machte die Runde. Entsetzt sahen wir einander an. Inzwischen war mir klar, dass es sich dabei um Mandelmuffins gehandelt haben musste. Was hatten die vom Sender mit mir vor? Hilfe! War ich dieser Sache gewachsen?
Schliesslich brach Robert das Schweigen: „Ich habe
Weitere Kostenlose Bücher