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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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teilweise für diese Metapher verantwortlich war - sie hatte Kirstie Carvers Hummel-Figuren (ein so langweiliges Hobby, wie man es sich nur vorstellen konnte, fand Audrey) tausendmal gesehen aber sie spürte, was immer sie hinzugefügt haben konnte, änderte nicht das Geringste an dem, was Seth ihr mitteilen wollte. Welchen Irrsinn Tak auch immer vorhatte - sein Bauen, sein Machen -, er war emsig damit beschäftigt. Aber so emsig offenbar auch wieder nicht, als ich vor ein paar Minuten zur Tür hinaus wollte, dachte sie. Nicht zu beschäftigt, um mich aufzuhalten. Und nicht zu beschäftigt, um mich zu bestrafen. Vielleicht werde ich beim nächstenmal Salz statt Honig schlucken müssen. Oder Abflußreiniger.
    Ich sage dir, wann, kam die Stimme des Kindes wieder. Hör auf mich, Tante Audrey. Wenn die Power Wagons wiederkommen. Hör auf mich. Es ist wichtig, daß du fliehst. Weil - Diesmal flackerten viele Bilder vorüber. Manche kamen und gingen so schnell, daß sie sie nicht identifizieren konnte, aber ein paar bekam sie mit: eine leere Chef-Boy-Ar-Dee-Dose, die im Abfall lag, eine alte, zerbrochene Toilettenschüssel auf einer Müllhalde, ein Auto auf Betonklötzen, ohne Räder, ohne Scheiben. Sachen, die kaputt waren. Sachen, die verbraucht waren.
    Als letztes, bevor der Kontakt unterbrochen wurde, sah sie das Porträt von sich selbst auf dem Tisch in der Diele. Die Augen des Porträts waren verschwunden, ausgestochen worden.
    Seth ließ sie los, wich zurück und sah zu, wie sie die Kante des Tresens ergriff und sich daran hochzog. Ihr Magen, in dem schwer der Honig lag, den Tak sie hatte schlucken lassen, fühlte sich wie ein Gegengewicht an. Seth sah wieder aus wie immer - distanziert und abgeschaltet, mit dem emotionalen Empfinden eines Felsbrockens. Aber da waren die sauberen Streifen unter seinen Augen. Die waren da.
    »Ah-oh«, sagte er mit seiner tonlosen Stimme - sie und Herb hatten angenommen, diese Laute könnten Audrey, hallo bedeuten -, dann verließ er die Küche. Ging ins Erkerzimmer zurück, wo die entscheidende Schießerei noch im Gange war. Und wenn sie zu Ende war? Nun, wahrscheinlich würde Seth bis zur FBI-Warnung zurückspulen und wieder von vorne anfangen.
    Aber er hat mit mir gesprochen, dachte sie. Laut und deutlich in meinem Kopf. Über seine Version des Play- Skool-Telefons. Nur ist seine Version so groß.
    Sie holte den Besen aus der Kammer und fegte Mehl und Makkaroni zusammen. Im Erkerzimmer schrie Rory Calhoun: »Hiergeblieben, du hühnerbrüstiger Yankee!«
    »Es muß nicht so kommen, Jeb«, murmelte Audrey beim Fegen.
    »Es muß nicht so kommen, Jeb«, sagte Ty Hardin - der im Film Deputy Laine spielte -, und dann erschoß der böse alte Colonel Murdock ihn. Seine letzte Schurkentat; noch dreißig Sekunden, und er würde selbst erschossen werden. Audreys Zwerchfell zog sich wieder zusammen. Krampfartig. Sie ging zur Spüle, zog den Besen in einer Hand hinter sich her, und beugte sich darüber. Sie würgte, aber nichts kam heraus. Einen Augenblick später ließ der Krampf nach. Sie drehte den Kaltwasserhahn auf, beugte sich hinunter und trank direkt daraus, dann spritzte sie sich zaghaft zwei Handvoll auf ihre schmerzende Stirn. Es tat gut. Herrlich.
    Sie drehte den Hahn zu, ging in die Kammer zurück und holte die Kehrschaufel. Tak baute, hatte Seth gesagt. Tak machte etwas. Aber was? Als sie sich unbeholfen vor dem zusammengefegten Haufen auf die Knie niederließ, Besen in einer Hand, Kehrschaufel in der anderen, fiel ihr eine dringendere Frage ein: Wenn sie tatsächlich fliehen konnte, was würde es mit ihrem Neffen machen? Was würde es Seth antun?
2
    Belinda Josephson hielt ihrem Mann die Küchentür auf, dann richtete sie sich auf und sah sich um. Das Deckenlicht war nicht an, trotzdem herrschte etwas mehr Helligkeit in dem Raum als vorher. Der Sturm ließ nach, und sie vermutete, daß es in einer oder zwei Stunden wieder heiß und strahlend sein würde.
    Sie sah zur Uhr an der Wand über dem Küchentisch und erlebte einen leichten Ausbruch von Unwirklichkeit. 16:03? War es möglich, daß so wenig Zeit verstrichen sein konnte? Sie sah genauer hin und stellte fest, daß sich der Sekundenzeiger nicht bewegte. Sie streckte die Hand nach dem Lichtschalter aus, als Johnny auf Händen und Knien in die Küche gekrochen kam und sich aufrichtete. »Das können Sie sich sparen«, sagte Jim Reed. Er saß zwischen Kühlschrank und Herd auf dem Boden und hatte Ralphie Carver auf dem Schoß.

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