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Regulator: Roman

Regulator: Roman

Titel: Regulator: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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Entdeckungsreise.«
4
    Über der Poplar Street ging langsam die Sonne unter. Es war zu früh dafür, und dennoch ging sie unter. Sie glomm im Westen über dem Horizont wie ein haßerfülltes rotes Auge und verwandelte die Pfützen auf der Straße und den Einfahrten und den Stufen in Feuerseen. Sie machte aus den Glasscherben, mit denen der ganze Block übersät war, glühende Schlacke. Aus den Augen des falschen Geiers machte sie rotglühende Gruben, als er sich mit seinen ungleichen Schwingen vom Leichnam Mary Jacksons erhob und auf den Rasen der Carvers flog. Da zauderte er und sah von dem toten David Carver zu Susi Gellers toter Freundin. Er schien unschlüssig, wo er anfangen sollte. So viel zu essen, so wenig Zeit. Schließlich entschied er sich für den Vater von Ellen und Ralphie und näherte sich dem toten Mann mit einer Reihe linkischer Sprünge. An einem seiner gelben Krallenfüße hatte er fünf Klauen, am anderen nur zwei.
    Auf der anderen Straßenseite, im Haus der Wylers - im Geruch von Schmutz und alten Hamburgern und Tomatensuppe - plärrte der Fernseher weiter. Es war die erste Saloon-Szene von Die Regulatoren.
    »Sie sind mir ja eine kesse kleine Lady«, sagte Rory Calhoun. Mit dieser wissenden, höhnischen Stimme, die sagte: Babydoll, ich werde dich lecken wie Eiscreme, bevor diese beschissene kleine Pferdeoper vorbei ist, und das wissen wir beide. »Warum setzen Sie sich nicht und trinken einen mit mir? Bringen mir Glück?«
    »Ich trinke nicht mit Abschaum«, antwortete Karen Steele kalt, worauf sämtliche Männer von Rory Calhoun - das heißt alle, die sich nicht gerade außerhalb der Stadt versteckten - in brüllendes Gelächter ausbrachen.
    »Na, sind wir nicht eine kleine Kratzbürste«, sagte Rory Calhoun entspannt, worauf seine Männer noch lauter johlten.
    »Möchtest du ein paar Doritos, Pete?« sagte Tak. Nun sprach er mit der Stimme von Lucas McCain, der in Westlich von Santa Fe durch die Prärien des Kabelfernsehens ritt. Peter Jackson, der in dem La-Z-Boy-Sessel vor dem Fernseher saß, antwortete nicht. Er grinste breit. Schatten glitten über sein Gesicht, so daß das Grinsen gelegentlich wie ein stummer Schrei wirkte, aber dennoch war und blieb es ein Grinsen.
    »Er sollte ein paar bekommen, Pa«, sagte Tak mit der fast pubertären Stimme von Johnny Crawford, der Lucas' Sohn gespielt hatte. »Die sind echt gut. Cool Ranch. Kommen Sie, Mr. Jackson, Lippen auf und Zähne breit, sie kommen, Magen, sei bereit!«
    Der Junge hielt ihm mit einer schmutzigen Hand Chips hin und fuchtelte damit vor Peter Jacksons Gesicht herum. Peter achtete nicht darauf. Er starrte mit Augen, die an die eines exotischen Tiefseefischs erinnerten, der eine explosionsartige Dekompression hinter sich hat, den Fernseher an, durch den Fernseher hindurch. Und er grinste. »Scheint kein' Honger zu haben, Pa.«
    »Ich glaube doch, Sohn. Großen Honger. Du hast doch Honger, Pete, oder nicht? Brauchst nur ein bißchen Hilfe, das ist alles. Also nimm die verdammten Chips!«
    Eine Art Summen ertönte in dem Raum. Vorübergehend wanderte eine statische Störung über den Bildschirm, wo Rory Calhoun gerade versuchte, Karen Steele zu küssen. Sie schlug ihm ins Gesicht und stieß ihm den Hut vom Kopf. Da verschwand sein lüsternes, höhnisches Grinsen. Volk - schon gar nicht Weibervolk - schlug Jeb Murdock nicht so frech den Hut vom Kopf.
    Peter hob langsam die Chips. Er verfehlte seinen unablässig grinsenden Mund und schob sie statt dessen gegen die Nase und zerkrümelte sie, so daß ihm einige kleinere Bruchstücke in die Nasenlöcher gerieten. Er nahm den Blick seiner aufgequollenen Augen nicht einen Moment vom Bildschirm.
    »Bißchen zu hoch, Mr. Jackson.« Das war jetzt die ernste Stimme von Hoss Cartwright. Hoss war einer von Seths Lieblingen gewesen, bevor Tak sich in ihm eingenistet hatte, und jetzt war er auch einer von Taks Lieblingen. Solcher Einklang herrschte zwischen ihnen. »Versuchen wir es noch mal, was meinen Sie?«
    Die Hand senkte sich langsam und ruckartig, wie ein Lastenaufzug. Diesmal trafen die Chips Peters Mund, und er fing mechanisch an zu kauen. Tak lächelte ihm mit Seths Mund zu. Es hoffte - auf seine seltsame Weise verfügte es über Emotionen, wenn auch nicht präzise über menschliche -, daß Peter die Doritos schmecken würden, denn sie würden seine letzte Mahlzeit sein. Es hatte eine Menge Lebenskraft aus Peter herausgesogen, um zuerst die gewaltige Menge Energie aufzutanken, die es heute

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