Reibereien
schwarz vor den Augen. Es war, als wäre ich blind. Ich konnte nichts mehr sehen. Auf jeden Fall war es keine Ringelnatter.«
»Ach, weißt du, im Grunde ist es ja egal, was es war«, sagte ich und nahm meine Tasche. »Hauptsache, du bist nicht blind.«
Ich ging durch den Garten und betrat mein Zimmer. Ich stellte meine Tasche in den Kleiderschrank und schloß ihn ab. Als ich mich umdrehte, ordnete Sonia geschickt drei Iris in einer Vase an, wobei diese Geschichte sie noch immer zu beschäftigen schien.
»Ich schwöre dir, daß ich etwas gesehen habe«, begann sie wieder.
»Aber es war keine Kobra, da kannst du beruhigt sein. Wir leben hier schließlich nicht im Dschun gel, sondern in einem Wohnviertel mit Sprinkleranlagen, Straßenlaternen, geteerten Bürgersteigen und allem, was man braucht, so scheint mir. Also sag mal, kannst du mir dann erklären, was eine Kobra hier suchen sollte? Denk doch mal nach.«
Ich ging in die Küche zurück und streifte mir ein Sporthemd über. Ich holte mir eine Flasche Perrier und setzte mich auf einen Hocker an die Bar und betrachtete den Garten.
»Das brauchst du doch nicht zu tun«, sagte ich zu ihr. »Versuch doch jemanden zu finden, der sich darum kümmern kann.«
»Du hältst mich also für verrückt«, seufzte sie und stützte die Ellbogen auf die Glasplatte des Tisches, die wie ein Spiegel glänzte und ein paar Tul pen, die diese hervorragende Hausfrau gerade frisch geschnitten hatte, in helles Licht tauchte. »Du glaubst also, ich hätte das alles erfunden, nicht wahr? Aber irgend etwas ist zwischen meinen Beinen durchgehuscht, ob es dir paßt oder nicht. Irgend etwas hat mir sein Gift ins Gesicht gespritzt.«
Die Sonne ging langsam unter, färbte die Baumwipfel flammend rot, vergoldete die ganze Pflanzenwelt ringsum, und hinter den offenen Fenstertüren flimmerte die Hitze. Ich hatte einen anstrengenden, nervenaufreibenden Tag hinter mir und war daher nicht dazu aufgelegt, mich mit Sonia weiter über die Giftschlange zu streiten.
»Und was gibt's sonst?« fragte ich sie.
Ich stand gemächlich auf, ging auf die Garten stühle zu und entschied mich für den Sessel, der dem Haus den Rücken zuwandte. Sobald ich mich niedergelassen hatte, starrte ich eine ganze Weile auf die Ecke des Gartens hinter dem Swimmingpool, aus der sie seit zwei Tagen das Gestrüpp entfernte, aber ich sah noch immer nicht den Sinn der Sache, denn ich fand den Garten so schon groß genug. Dennoch kam sie mit ihrer Arbeit voran, und man konnte tatsächlich in der Ferne den Ozean sehen, auch wenn sich nicht viel darüber sagen ließ, au ßer daß wir jetzt Blick aufs Meer hatten. Ich ließ den Kopf nach hinten gegen die Rückenlehne aus Schaumgummi sinken und schloß die Augen.
»Ich habe versucht dich anzurufen, aber du hast dich nicht gemeldet«, erklärte Sonia, während ich mich in dem Sessel wieder aufrichtete. »Ich habe wahnsinnig gelitten, als es passiert ist. Ich war völ lig entsetzt. Das müßtest du eigentlich verstehen können. Ich war richtig in Panik.«
»Ich konnte nicht ans Telefon gehen.«
»Ich hatte den Eindruck, als hättest du mich verlassen. Das Gefühl hatte ich.«
»Tut mir leid, aber ich konnte unmöglich ans Telefon gehen.«
Sie trug ein kurzes ärmelloses, vorn zugeknöpf tes Kleid aus leichtem Stoff, das ihr sehr gut stand und ihre Figur zur Geltung brachte. Normalerwei se arbeitete sie als Model für eine bekannte Marke für Damenunterwäsche, und das war durchaus berechtigt. Aber zur Zeit war sie im achten Monat schwanger. Sie hatte sich außerdem einen Pagen schnitt machen lassen, wofür ich ihr ein Kompliment gemacht hatte. Aber wir hatten seit einiger Zeit keinen Sex mehr.
»Und warum konntest du nicht ans Telefon ge hen? Warst du mit einer Frau zusammen?«
»Nein, nicht daß ich wüßte«, erklärte ich.
Wir schwiegen eine Weile gedankenverloren in biblischem Licht.
»Aber wenn es so wäre«, fuhr sie fort, »würdest du es mir dann sagen?«
»Ja, das nehme ich doch an.«
»Aber du bist dir nicht sicher.«
»Richtig. Ich bin mir nicht ganz sicher.«
Ich stand auf, um das Gespräch zu be- enden - soweit das möglich war.
Die Ankunft von Boris sorgte für Ablenkung. Er kam, um sich zu vergewissern, daß es Sonia gutging, wofür ich mich nicht bei ihm zu bedanken brauche, wie er mir versicherte, das sei doch selbstverständlich, außerdem wolle er die Gelegenheit nutzen, um mit mir unter vier Augen über ein ge wisses Problem zu sprechen, falls ich
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