Reibereien
Schließlich ist das keine exakte Wissenschaft.«
»Aber was ich alles mit dir durchmachen muß. Deine Gleichgültigkeit mir gegenüber. Soll das noch lange so weitergehen?«
»Was du alles mit mir durchmachen mußt? Kannst du denn nicht tun und lassen, was du willst? Hast du mich etwa ständig auf der Pelle? Was du alles mit mir durchmachen mußt! Ist dein Leben nicht so wie immer? Hindere ich dich daran, die Leute zu sehen, die du sehen möchtest? Du spinnst wohl! Was du alles mit mir durchmachen mußt!«
Ich ging nach draußen und nahm mein Glas mit. Schwärme von Spatzen schwirrten durch die Hitze der Abenddämmerung. Ich konnte nicht sa gen, was ich noch für Sonia empfand, das war alles ziemlich verschwommen. Selbst wenn ich darüber nachdachte. Das machte jede Diskussion unmög lich. Das hatte sogar dazu geführt, daß ich inzwi schen mit dem Gäste- zimmer vorliebnahm. Wegen einer Frage, auf die ich keine Antwort fand. Um zu vermeiden, daß wir uns im Kreis drehten.
Ich rief meine Mutter an und sagte, sie könne vorbeikommen, um ihr Geld abzuholen, dann unter-hielten wir uns noch eine Weile, während Sonia ihren täglichen Kilometer im Swimmingpool zurücklegte.
»Weißt du, ich hatte unter anderem die gleichen Probleme mit deinem Vater. Genau die gleichen. Für ihn war diese Sache völlig unwichtig. Er schwor mir, daß das seinen Gefühlen mir gegenüber keinen Abbruch tat. Vermutlich hatte er damit sogar recht.«
»Und deine Gefühle, wie stand es damit?«
»Darum geht es ja. Und dann fallen sie aus allen Wolken. Sie sind nicht imstande, das zu begreifen. Dein Vater war überzeugt, daß ich einen Liebhaber hätte. Etwas anderes konnte er sich gar nicht vorstellen.«
Währenddessen beobachtete ich Sonia, die mich herbeiwinkte, als sei der Augenblick gekommen, uns zu versöhnen - mit ihr in der Rolle des Op fers. Ich beendete das Gespräch mit meiner Mut ter, die es sich nicht nehmen ließ, mich daran zu erinnern, daß Sonia und ich mit den drei Jahren, die wir jetzt zusammen waren, genau im Durch schnitt lagen. »Wenn man sieht, wie das heute so läuft«, sagte sie scherzend, »hättest du besser eine Einbeinige geheiratet.« Ich mußte lächeln.
Im Vorbeigehen stellte ich den Fernseher an. Dann hohe ich eine Plastiktüte und kniete mich vor meinen Kleiderschrank, um die Tüte mit Geldscheinen zu füllen. Als ich damit fertig war, zögerte ich eine Sekunde und fügte dann noch ein Bündel hinzu, denn sie hatte davon gesprochen, daß sie sich ein neues Auto kaufen müsse, weil ihr Wagen a ll mählich den Geist aufgebe, und ich hatte sie lebhaft darin bestärkt - denn bei dem Gedan ken, daß sie mitten in der Nacht von weiß der Hen ker woher heimfuhr und das ohne Airbags, oh ne ABS und ohne von Tonnen von daumendickem Blech geschützt zu sein, war mir unwohl. Schließ lich hat man nur eine Mutter im Leben. Und mei ner Mutter Geld zu geben verlieh mir ein gutes Ge fühl.
Ich legte die Tüte, nachdem ich sie mit einem Gummiband verschlossen hatte, auf den kleinen runden Tisch im Eingang, wo ein Telefon von Bang & Olufsen auf der Ladestation plötzlich zu trillern begann und wie ein Springbrunnen aufleuchtete.
»Es sind Jon und Nicolas«, rief ich - den Appa rat zwischen Schulter und Ohr geklemmt - Sonia zu, die sich auf dem Rasen das Wasser aus den Haa ren schüttelte. »Sie wollen wissen, ob wir uns heu te abend treffen. Was soll ich ihnen sagen? Es gehen anscheinend alle hin.«
Sie hörte auf, sich zu schütteln, und blickte mich an: »Hast du Lust hinzugehen?«
»Warum nicht?«
Ich sprach wieder mit Jon. Ich nutzte die Gelegenheit, um sie zu fragen, ob sie mich nicht vergessen habe, und da erzählte sie mir, daß man ihren Dealer mausetot in seinem Zimmer gefunden ha be, gräßlich - daher die Verspätung, sie müsse neue Kontakte aufnehmen. Ich erinnerte sie daran, daß ich mich durchaus selbst darum kümmern könne, wenn ihr das lieber sei, aber sie wies mein Angebot zurück und erklärte, wenn sie versprochen habe, etwas zu liefern, dann könne man sich auf sie verlassen. Das sei Ehrensache.
»Aber wenn ich dir eins sagen darf«, fuhr sie fort, »ich glaube, daß Sonia im Augenblick fast aus flippt. Ich an deiner Stelle würde ihr raten, ein biß chen zu warten. Dope und Ehe- probleme haben sich noch nie gut miteinander vertragen, das kannst du mir glauben. Ich kenne mich damit aus. Ich verdanke dieser Sache die schlimmsten Albträume meines Lebens.«
»Danke für deinen Rat, Jon.«
»Sag
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