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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gedanken legt und nur eine gewaltige Wut durchsickern läßt, deren zahlreiche Ursachen mir so lang wie breit sind. Es handelt sich um das schon so oft empfundene Gefühl, al les satt zu sein, um das nicht zu unterdrückende Bedürfnis, irgendwann den ganzen Kram hinzuschmeißen und meine Wut an allem auszulassen, was mich umgibt. Was mir noch nie viel genützt hat, das muß ich zugeben, und mir nur Ärger be schert hat – ganz zu schweigen davon, daß ich kei ne echten Beziehungen zu anderen habe und mich eine große Leere umgibt, weil ich in dem Ruf stehe, ein schwieriger Zeitgenosse zu sein. Aber dagegen komme ich nicht an.
    Kurz und gut, ich stehe also vor dieser Tür. Durch ein kleines Fenster, das zum Garten hinausgeht, sehe ich die Silhouette einer Palme, die in der Dunkelheit vom Wind geschüttelt wird, doch zit tern tue ich. Dann nehme ich Anlauf und versetze der Tür in Höhe des Schlosses einen kräftigen Fußtritt.
    Der Aufprall meiner Schuhsohle bringt ein dumpfes Geräusch hervor, das durchaus dem Grollen des Donners im Gebirge ähnelt, aber die Tür ist immer noch zu. Mit zusammengebissenen Zähnen bereite ich mich auf den zweiten Versuch vor, doch genau in diesem Augenblick fallen sie über mich her und überwältigen mich.
    Sie packen mich und bringen mich umgehend ins Erdgeschoß, wobei meine Füße kaum die Stu fen berühren. Sie sagen, ich sei ein armes Schwein, den Leuten derart das Leben zu vermiesen, werfen mir vor, ich sei von allen guten Geistern verlas sen.
    Ich sage ihnen ebenfalls meine Meinung, aber sie schließen mich in der Garage ein.
    Da beginne ich, alles kurz und klein zu schlagen. Ich werfe ein paar Regale mit allem möglichen Kram um, schlage einen kleinen runden Tisch auf dem Be tonboden in Stücke, zertrümmere das Sichtfenster der Waschmaschine, verbeule mit einem Golfschläger den Wäschetrockner, werfe eine Bohrmaschine gegen ein vergittertes Fenster, und dann nehme ich einen Hammer, in der Absicht, den Motor des elek trisch betriebenen Garagentors kaputtzuhauen, als ich hinter mir die Stimme meiner Mutter höre: »Hör sofort auf damit. Komm, wir gehen.«
    Sie ist aschfahl. Sie hat ihre nackten Arme verschränkt, als sei sie von eisiger Luft umhüllt.
    Roger steht in der Türöffnung, die Stirn an den Rahmen gelehnt, und läßt den Blick über das Schlachtfeld schweifen. Dann sagt er betrübt: »Hör zu. So habe ich das nicht gemeint.«
    Meine Mutter hat ihm den Rücken zugewandt. Sie sagt keinen Ton.
    Er versucht es noch einmal: »Also gut, hör zu. Ich bitte dich um Entschuldigung. Reicht es dir nicht, daß ich mich entschuldige?«
    Ich frage meine Mutter: »Was ist los?«
    »Nichts«, erwidert sie sogleich. »Gar nichts. Laß uns abhauen.«
    »Sei nicht so dickköpfig«, erklärt er.
    Ich frage meine Mutter: »Was hat er gesagt?«
    Ich sehe, daß er sie verletzt hat. Daß sie nicht nur wegen des Alkohols taumelt. Und daß er mir noch nicht an die Kehle gesprungen ist und beim Anblick des wilden Durcheinanders, das ich in seiner Ga rage angerichtet habe, keinen Tobsuchtsanfall bekommen hat, kann nur be- deuten, daß er ihr kräftig eins draufgegeben hat.
    »Also los, nun komm schon!« herrscht sie mich an und geht auf die Tür zu. Ich folge ihr.
    »Geh mir aus dem Weg!« befiehlt sie Roger.
    Er starrt sie eine Weile an, weicht dann zu- rück und sagt: »Sieh dir wenigstens an, was er angestellt hat, dann sag ich nichts mehr.«
    »Okay. Sag nichts mehr«, zischt sie ihm ins Gesicht. »Es ist besser, du hältst die Schnauze!«
    »Was hat er zu dir gesagt?« frage ich. »Kannst du mir das mal verraten?«
    »Was geht dich das an?« seufzt Olga auf dem Rücksitz. »Wie lange willst du noch darauf rumreiten?«
    Ich betrachte sie im Rückspiegel. Sie zieht ihren Mantel enger um die Brust und leert in einem Zug das 5-cl-Fläschchen Gin, das sie aus ihrer Hand tasche geholt hat - aus einer Seitentasche, in der sie ihre Probefläschchen aufbewahrt.
       »Mein Schatz«, antwortete ich ihr, »im Garten ist keine Kobra.«
    »Wirklich nicht? Was war es dann?«
    »Weißt du, wie eine Kobra aussieht?«
    »Sie hat mir ihr Gift in die Augen gespritzt. Reicht dir das nicht?«
    Ich hatte gerade mit Boris gesprochen, der auf ihren dringlichen Hilferuf sofort gekommen war und ihr eine Kortisonspritze verabreicht hatte. Er war der Ansicht, daß es sich um ein stachliges Kraut oder irgendeine pflanzliche Substanz handeln müsse.
    »Ich habe mich hingesetzt, und plötzlich wurde mir ganz

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