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Reibereien

Reibereien

Titel: Reibereien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippe Djian
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Gesicht war schmaler geworden, sein Haar schütterer, sein Rücken ein wenig gebeugt, seine Miene hatte sich verdüstert, aber es gab keinen Zweifel.
    Er reinigte den Teppichboden mit Seifenschaum und wich meinem Blick aus.
    Gegen Mittag ließ ich ein Essen für drei Perso nen kommen, ohne recht zu begreifen, was ich tat. Genausowenig wie meine Mutter, die hinten in der Buchhandlung einen Tisch freiräumte, als sei das völlig selbstverständlich.
    Der Mann ließ sich Zeit, ehe er aus seinem Schneckenhaus herauskam.
    In der folgenden Woche verabredeten sie sich. Sie aßen auf der Terrasse eines Restaurants in der Innenstadt zu Abend.»Was sollte ich denn machen?« erklärte sie mir später. »Wie hätte ich ihm widerstehen können?«
    Ich glaube, daß ich sie verstand. Und gleichzeitig störte mich das. Als rückte der Augenblick näher, da ich diesem Mann Rechenschaft ablegen müsse. Ihm erklären müsse, wie ich die Sache während seiner Abwesenheit gemeistert hatte.
    Er hieß Vincent. Keine Kinder, geschieden, in den letzten zehn Jahren beruflich ein ziemliches Auf und Ab und nicht gerade rosige Aussichten.
    »Ich breche fast zusammen«, fuhr sie fort. »Wenn er mir ti ef in die Augen blickt, spüre ich, wie mir die Knie zittern.«
    Ich versuchte sie etwas zu beschwich ti gen, aber sie hörte kein Wort von dem, was ich sagte. Sie hörte auch nicht mehr auf ihre beste Freundin Ol ga, die ausnahmsweise auf meiner Seite stand und die Sache nicht sehr vernünftig fand. Meine Mut ter hörte uns einfach nicht.
    »Es ist, als sei er gekommen, um mich abzu- ho len«, vertraute sie mir an, ohne zu lächeln. Ich erwiderte nichts.
    Ich steckte meine Nase schon lange nicht mehr in ihre Angelegenheiten und schwor mir, mich auch diesmal rauszuhalten. Auch wenn diese Ähnlichkeit geradezu verblüffend war, in jeder Hinsicht.
    Ich hatte nicht viele Fotos von meinem Vater. Ich verbrachte mehrere Nächte damit, sie zu betrach ten, während meine Mutter ihn in Fleisch und Blut in den Armen hielt.
    In seiner Gegenwart empfand ich in zu- nehmendem Maß ein Gefühl der Schuld, aber ich zwang mich, ihm ins Gesicht zu sehen und nie die Augen zu sen ken, selbst wenn die Illusion so vollkommen war, daß ich seine Stimme wiederzuerkennen glaubte.
    »Er fragt sich, ob du ganz normal bist«, sagte meine Mutter zu mir. »Er findet dich manchmal etwas komisch.«
    Sie hatte Angst, ich könne ihn abschrecken, wenn ich um ihn herumschlich.
    Denn diese dumme Gans hatte sich in ihn ver liebt.
    Als uns die Mädels ihre Rückkehr ankündigten, beschloß ich, ihnen einen Hund zu kaufen, um den Schock zu mildern.
    Wir verbrachten einen ganzen Tag auf dem Land, fuhren von einem Hundezwinger zum anderen. Meine Tochter Lili saß mit ihrem Walkman auf den Ohren neben mir und würdigte die Landschaft kei nes Blickes. Meine Mutter und Vincent saßen auf der Rückbank. Ich beobachtete meine Mutter im Rückspiegel. Ich sah ihr an, daß sie verrückt nach ihm war.
    Als Lili mich fragte, was los sei - wir hatten gerade gesehen, wie sie sich hinter einem Baum küß t en, während wir von einem Typen zu einem Zwin ger voller Hunde gefahren wurden -, antwortete ich, daß ich keine Ahnung habe und ihre Groß mutter vie ll eicht einen Sonnenstich bekommen ha be.
    Abends vergossen Corinne und Sandra heiße Tränen, als sie erfuhren, daß Béatrice unter einen Lastwagen geraten war. Dann nahm das Leben wieder seinen gewohnten Gang.
    Ich richtete es so ein, daß ich die beiden möglichst selten sah, was meiner Mutter völlig recht zu sein schien. Allerdings muß ich zugeben, daß ich von morgens bis abends an sie dachte.
    »Du glaubst nicht, wie das an mir zehrt!« sagte ich düster zu Olga, die vor ihrem Schrank stand und sich nicht entscheiden konnte, welches Kleid sie anziehen sollte. »Glaubst du vielleicht, das täte mir gut?«
    »Okay. Aber was soll man dagegen tun?«
    »Ich habe meinen Vater in seinem Sarg gesehen. Ich habe Erde in sein Grab geworfen, stimmt's oder nicht?«
    Ich bat sie, ihren Morgenmantel zu schließen, wenn sie sich mir zuwandte.
    »Hör zu, Olga, ich sage das nicht im Scherz. Ich habe wirklich ein Problem damit.«
    Ein Typ hatte ihr zwei Jahre zuvor ein Cabrio geschenkt, und sie raste damit wie eine Bekloppte durch die Stadt. An einer roten Ampel streichelte sie mir in der strahlenden Sonne den Nacken.
    »Ich will dich nicht beunruhigen«, sagte sie zu mir. »Aber ich glaube, die Sache ist ernst.«
    »Ich weiß. Ich bin ja nicht blind.«
    »Im

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