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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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und er konnte recht freundlich sein. Wenn er Lust hatte, unterhielt er sich über das Wetter, das Reisen und wie schön das Land in den ersten Herbsttagen war.
    Es dunkelte bereits, als er eine seltsame Schwingung in der Luft bemerkte. Seine Spannung wuchs.
    An diesem Abend wartete er auf etwas Bestimmtes.
    Warten war ihm vertraut. Er hatte früher schon gewartet, und er würde wieder warten.
    Das Mädchen trat an seinen Tisch und fragte, ob er noch einen Kaffee wolle. Wie viele Amerikaner trank er seinen Kaffee schwarz und aus einer großen Tasse, aber sein Französisch war völlig akzentfrei. Auch wenn er kein gebürtiger Franzose war, hatte er die Sprache schon vor langer Zeit gelernt und sprach sie inzwischen so fließend wie ein Pariser.
    Bei der Frage des Mädchens hob er den Blick und betrachtete es einen Moment lang. Es war jung, schlank, hübsch, mit großen Augen. Er lächelte die junge Frau an und bemerkte, dass er damit sofort etwas bei ihr auslöste: Sie fühlte sich geehrt, sie war ihm gewogen.
    »Einen Kaffee? Ja, warum nicht, gerne, Yvette. So steht es doch auf Ihrem Namensschildchen, oder?«
    »Ja, so heiße ich«, erwiderte sie ein wenig atemlos. Ach, die jungen Mädchen! Wie rasch es sie zu den Attraktiven und Mächtigen hinzog. Seine ständige Wache langweilte ihn ein wenig, er hatte Lust auf ein kleines Spiel.
    »Yvette – das ist einer meiner Lieblingsnamen«, erklärte er leise. »Wollen Sie sich nicht kurz zu mir setzen?«
    Mit einem nervösen Blick vergewisserte sie sich, dass ihr Chef nicht in der Nähe war. In ihren großen, dunkelbraunen Augen stand Unentschlossenheit, aber die Verlockung war stärker.
    Sie setzte sich.
    »Wie lange müssen Sie denn arbeiten?«, fragte er.
    »Bis Mitternacht, Monsieur.«
    »Wie alt sind Sie überhaupt?«, fragte er.
    »Alt genug«, versicherte sie ihm. »Bald einundzwanzig.«
    »Prima«, meinte er.
    Sie hatte die Hände auf den Tisch gelegt, vielleicht wollte sie sich abstützen, um schneller aufspringen zu können, wenn ihr Chef auftauchte. Wie zufällig streifte er ihre Hand mit seinen Fingern und beugte sich etwas näher zu ihr. Ein kleiner Flirt, der den anderen Gästen im Café bestimmt nicht auffiel. Sie erbebte unter seiner Berührung. Ihre Blicke trafen sich. Sie schien um die richtigen Worte zu ringen.
    »Und … und Ihr Name, Monsieur?«, stammelte sie schließlich.
    Er winkte sie mit einem gekrümmten Finger näher zu sich. Sie folgte seiner Aufforderung, und ihre Gesichter verschwanden hinter einem hübschen Vorhang brauner Haare.
    Doch an dieser Stelle des Spiels ging plötzlich ein Ruck durch seinen Körper. Er lehnte sich zurück, während das Mädchen noch wie hypnotisiert dasaß. Dann stand er auf und sah sich um.
    Er fluchte innerlich. Etwas war schiefgelaufen – ziemlich schief.
    Er warf ein paar Münzen auf den Tisch, hob das Kinn des Mädchens, murmelte einen raschen Dank und versprach, sie später zu treffen. Selbst in seinem Zorn vergaß er nicht, sich diesen Ort warmzuhalten, so günstig, wie er lag: direkt gegenüber der Kirche.
    Und in der Nähe des Polizeireviers.
    Eilig überquerte er die Straße, fluchte weiter auf sich und die Welt und überlegte, was zum Teufel schiefgelaufen war.
    Der kräftige amerikanische Arbeiter stand plötzlich hinter ihr. Sein Kommen war ihr völlig entgangen.
    Sie hatte nicht gehört, wie er die Treppe hochgegangen war; sie hatte nicht die leiseste Ahnung, dass er da war, bis er den Mund aufmachte und meinte: »Wenn Sie zur Seite treten, kann ich versuchen, die Tür aufzubrechen.«
    Sie zuckte zusammen, schrie und machte einen Satz zur Seite.
    In seinem Blick glaubte sie Missfallen zu lesen. »Wir müssen durch diese Tür hier raus. Jemand in dem Café gegenüber hätte Sie inzwischen eigentlich hören müssen, auch wenn die Musik dort immer ziemlich laut ist.«
    Tara hielt sich von ihm fern. Ihr ganzer Körper war angespannt; jede Zelle ihres Körpers schien auf Gefahr eingestellt zu sein.
    In der Kirche brannten nur ein paar schwache Lampen, doch sie spendeten weitaus mehr Licht als die Lampen in der Gruft, die die Finsternis nur in eine fahle Düsternis verwandelt hatten. Tara sah, dass der Mann mittelgroß war, wohl um die einsachtzig. Er war kräftig und muskulös, auch wenn er nicht gerade wie ein Sumoringer wirkte. Doch irgendetwas war merkwürdig an ihm. Die Energie, die er ausstrahlte, und die Anspannung seines Körpers schlugen ihr fast wie eine Hitzewelle entgegen. Für diesen Mann wäre

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