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Reich der Schatten

Reich der Schatten

Titel: Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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überlegte auch, ob sich in seinem Alter noch eine Art Kriegsneurose bemerkbar machen könnte, jetzt, wo er nach längerem Aufenthalt in Amerika wieder nach Frankreich zurückgekehrt war. Hier hatte er als französisches Mitglied der Résistance mit den Alliierten gekämpft. Vielleicht sollte er mit jemandem darüber reden, der mit solchen Dingen Erfahrung hatte, und nicht mit einer Enkelin, die ihn anbetete und sich ihm sehr verbunden fühlte.
    Während sie sich so den Kopf zerbrach, kam Katia und meldete, Ann sei am Telefon. Ihre Cousine klang fröhlich und munter und offenbar ganz in ihre Arbeit versunken. »Meetings, Meetings, Meetings! Wir haben jetzt schon Meetings, um unsere Meeting-Termine zu besprechen«, erklärte sie. »Aber weißt du was? Wir lassen es uns nicht nehmen und gehen heute Abend aus. Ich habe eine dieser kleinen Schockwaffen, die mir Großpapa schon vor längerer Zeit aufgeschwatzt hat. Und außerdem habe ich immer Tränengas dabei. Dein Vater hat darauf bestanden, dass ich nicht ohne aus dem Haus gehe.«
    »Ja, ich weiß. Er empfiehlt mir auch immer, es in New York stets mitzunehmen«, meinte Tara.
    »Die Großstadt.«
    »Na ja, Paris ist auch nicht gerade klein.«
    »Stimmt. Aber wir gehen nicht direkt in Paris aus. Wir bleiben in der Nähe des Châteaus, aber wir halten die Augen offen und passen auf uns auf. Du hast doch keine Angst auszugehen, oder?«
    »Nein.«
    »Gut. Ich freue mich jedenfalls auf ein paar Drinks, ein paar amüsante Stunden und vielleicht ein paar Tänzchen mit einem attraktiven Mann. Na ja, irgendeinem Mann; solange er nur tanzen kann, finde ich mich mit jedem ab, egal wie alt. Hör mal, ich muss noch etwas länger arbeiten, ich werde also nur kurz halten und hupen, und du kommst dann gleich runter, okay? Wir gehen ins La Guerre, das liegt im Ortszentrum, in der Nähe der Kirche. Natürlich nur, wenn du keine Angst hast, dich in diese Gegend zu wagen.«
    »Ich glaube kaum, dass sich der Mörder noch am Tatort herumtreibt«, meinte Tara.
    »Alles in Ordnung bei euch?«
    Tara zögerte, doch dann meinte sie hastig: »Ja, ja. Großpapa schläft.«
    » Bien. Er hat sicher nichts dagegen, wenn wir zwei mal ausgehen. Er freut sich ja immer, wenn Verwandte etwas zusammen unternehmen.«
    »Ich komme dann gleich runter, sobald ich dich hupen höre.«
    Tara legte auf. Ja, auch sie freute sich darauf, ein paar Stunden unter Leuten zu verbringen, in einer ganz normalen rauchigen, lauten vollen Bar.
    Vielleicht voller Betrunkener und aufdringlicher Kerle?
    Aber geistig normalen Betrunkenen und ganz gewöhnlichen aufdringlichen Kerlen.
    Schlaf … Schlafen bedeutete leider oft träumen, und Träume bedeuteten allzu oft Albträume.
    Albträume kamen nicht selten aus der Vergangenheit.
    Der Schmerz war fast zu greifen, die Pein, die über ihn hereinbrach, über seinen Körper, seine Knochen. Außen, innen.
    Er erinnerte sich noch genau, wie die Männer gesprochen hatten, wie die Ärzte auf ihn herabgestarrt hatten. Er erinnerte sich an die Nadeln, wie sie ihm Spritzen verabreicht hatten, um seine Kraft zu prüfen, seine Reaktionen auf den Schmerz. Er erinnerte sich an die Hilflosigkeit, die Qual, die Wut.
    Vor seinen Experimenten hatte der Oberarzt stets sorgfältig darauf geachtet, dass er mit Stahlfesseln an sein Bett gekettet war. Er hatte sich nie mit Namen vorgestellt, doch er erklärte dem Lieutenant, er könne ihn sich gerne als Gott des Todes einprägen. Die Männer nannten ihn entweder Doktor oder General Andreson. Wenn sich der Lieutenant manchmal in seinem Bett herumwälzte und ihn verfluchte, beugte sich Andreson über ihn, als lausche er einer Huldigung und nicht den Schreien und Verwünschungen eines Mannes in höchster Pein. Gelegentlich berührte er den Kopf des Lieutenants fast zärtlich und meinte: »Verfluche mich ruhig, egal mit welchem Namen, denn ich habe viele Namen. Verfluche mich, verwünsche mich – deine Worte sind Wohlklang in meinen Ohren. Du bist wirklich unglaublich stark. Eigentlich solltest du längst tot sein. Wundert es dich nicht, dass du noch lebst? Mich fasziniert das wirklich sehr.«
    Andreson war ein Meister der Folter und der Pein. Der Lieutenant sollte ihn sein Leben lang nicht vergessen.
    Doch daneben gab es noch einen Dr. Weiss. Dieser Mann stand meist stumm daneben, wenn man ihn quälte, mit grimmiger Miene, die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Der Lieutenant vergaß nie, wie Dr. Weiss damals zu ihm gekommen war, wenn die anderen weg

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