Reich der Schatten
marschierte aus dem Zimmer. Am liebsten hätte sie Brent Malone am Haarschopf nach draußen gezerrt und ihn hinausgeworfen.
Doch natürlich hätten ihre Kräfte nicht gereicht, und außerdem hatte sie Angst, ihn zu berühren.
Als sie die Tür hinter sich zuschlug, wäre sie fast über Eleanora gestolpert. Die Schäferhündin war an die Tür gekommen, versuchte jedoch nicht, an Tara vorbei ins Zimmer zu schleichen, sondern stand reglos da wie ein alter ägyptischer Wachhund, der den Tod des Pharaos ahnt.
»Eleanora, komm, wir gehen«, sagte sie, bückte sich und streichelte die Hündin.
Die ließ sich Taras Liebkosung zwar gefallen, rührte sich aber nicht vom Fleck. Und sie wirkte auch nicht so aufgeregt und glücklich wie sonst, wenn sie Tara wiedersah, nachdem diese längere Zeit in Amerika gewesen war.
»Sogar der Hund ist verrückt geworden«, murrte Tara und machte sich gereizt auf den Weg in ihr Zimmer. Sie brauchte jetzt dringend einen Ort, wo sie ihren Gefühlen freien Lauf lassen konnte, ohne die Sache für ihren Großvater weiter zu verschlimmern.
In ihrem Zimmer schmetterte sie die Tür hinter sich zu und schloss ab. Dann lief sie hektisch auf und ab und versuchte, sich zu beruhigen. Wie dumm sie sich verhalten hatte! Sie hatte das Schlimmste getan, was sie hatte tun können – anstatt den Idioten dort unten mit fester Stimme zu erklären, dass sich Tote nicht aus ihren Särgen erheben und die Lebenden umbringen, hatte sie sich von ihnen aus der Fassung bringen lassen. Ja, es gab Menschen, die aus Gier töteten, oder grausame Menschen, denen ein Leben nichts wert war, oder wahnsinnige, sehr kranke Menschen. Auch solche Menschen taten schreckliche Dinge. Sie hätte sich um Gelassenheit bemühen und den beiden ihren Willen lassen sollen.
Zornig warf sie sich auf ihr Bett und schlug auf die Matratze ein. Schließlich kniff sie die Augen zusammen, schüttelte den Kopf und überlegte, was sie tun sollte.
Sollte sie nach unten gehen, einen weiteren Anfall bekommen und Malone mit Gewalt vor die Tür setzen? Oder sollte sie versuchen, den beiden möglichst ruhig und vernünftig gegenüberzutreten?
Auf einmal stieg ihr ein sonderbarer Geruch in die Nase. Sie machte die Augen auf und sah sich um: Vor ihrer Balkontür hingen Knoblauchknollen. Einen Moment lang starrte sie fassungslos auf diese neue Dekoration, dann reichte es ihr.
»Er war in meinem Zimmer!«, kreischte sie.
Sie stürmte die Treppe hinunter.
Eleanora saß noch immer vor der Bibliothek. Als Tara näher kam, stand die Hündin auf – und begann zu knurren.
»Eleanora! Ich bin’s doch, Tara, was zum Teufel ist mit dir los?«, fragte sie.
Doch die Hündin stand unbeirrt da und starrte sie drohend aus stolzen, feurig-braunen Augen an.
»Wenn du Großpapa bewachen willst, dann knurrst du die Falsche an!«
Aber die Hündin wollte nicht aus dem Weg gehen. Tara beugte sich über sie, um an die Tür zu klopfen. Wieder begann Eleanora warnend zu knurren.
»He!«, schrie Tara wutentbrannt.
Kurz darauf ging die Tür auf. Brent sah sie an und dann den Hund. »Dummes Mädchen!«, sagte er und tätschelte Eleanoras Kopf, als sei er ihr Herr. »Das ist doch bloß Tara. Sie wollte rein zu uns, und das darf sie auch.«
Sanft wie ein Kätzchen gab Eleanora die Tür frei und legte sich daneben zu einem Nickerchen hin. »Haben Sie beschlossen, sich uns anzuschließen?«, fragte Brent.
»Ich habe beschlossen, Ihnen den Hals umzudrehen. Was zum Teufel haben Sie in meinem Zimmer zu suchen? Warum hängt an allen Türen Knoblauch?«
»Ich bin nicht in Ihrem Zimmer gewesen«, entgegnete er. »Und ich habe auch keinen Knoblauch verteilt.«
»Was habt ihr zwei denn da draußen zu besprechen?«, rief Jacques.
Tara schritt an Brent vorbei zum Schreibtisch ihres Großvaters. »An meinen Balkontüren hängt Knoblauch.«
»Ja, natürlich«, erwiderte er ruhig.
»Hast du den dort hingehängt?«
»Nein, natürlich nicht. Ich habe Katia darum gebeten.«
»Na toll! Katia glaubt also auch an Vampire.«
»Katia ist nicht voreingenommen, sie weiß, dass man die Welt in ihrer Gänze oft genug nicht mit bloßem Auge erkennen kann.«
Sie ließ sich auf den großen Sessel fallen, der zwischen dem Schreibtisch ihres Großvaters und dem Kamin stand, und legte die Fingerspitzen aneinander. »Jacques, ein Mann ist in einer Grabkammer brutal ermordet worden. Einer Grabkammer, gegen deren Erforschung du dich nach Kräften gewehrt hast. Du hast alles Mögliche versucht,
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