Reich der Schatten
erlitten haben.«
»Wie gesagt – es spielt jetzt keine Rolle mehr. Ich habe mich recht gut davon erholt und erhole mich weiter.« Er streichelte zärtlich ihren Arm. Seine Berührung ließ sie am ganzen Leib erschaudern. »Erzähl mir doch noch ein bisschen von dir!«
Sie lachte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Du weißt ja, wo ich arbeite und was ich dort tue.«
»Ja, das schon. Aber was ist mit deinem Privatleben? Diese Mittagspause ist ja ziemlich rasch vorbeigegangen. Sag mir – gibt es noch andere Menschen in deinem Leben?«
»Ich wohne bei meiner Familie«, erwiderte sie.
Sein magnetisches Lächeln wurde breiter. »Ich meine einen anderen Mann. Offen gestanden habe ich mich Hals über Kopf in dich verliebt, und ich bin höllisch eifersüchtig. Ich kann mir nicht vorstellen, dass eine Frau wie du nicht irgendwo einen Liebhaber versteckt hat.«
In diesem Moment stellte sie verwundert fest, dass sie kein einziges Mal an Willem gedacht hatte, bevor Rick auf dieses Thema zu sprechen gekommen war. Bislang hatte sie immer gedacht, dass Willem ihr sehr wehgetan hatte und sie ihn wahnsinnig geliebt hatte, jetzt aber fest entschlossen war, seinen Annäherungsversuchen nicht nachzugeben …
Rick schmiegte sich an sie, als wollte er ihr versichern, dass er ihr noch viel mehr bieten könne als nur eine rein körperliche Erfüllung. »Gibt es einen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Es gab einen, aber in deinem Leben gab es bestimmt auch viele andere«, entgegnete sie ein wenig sarkastisch.
Er lächelte nur. »Ich versichere dir, dass es momentan keine andere gibt.«
»Das gilt auch für mich.«
»Und was war mit dem Mann, mit dem du gegangen bist?«, beharrte er.
»Willem, der Vertriebschef unseres Unternehmens.«
»Ups, das ist aber gefährlich für mich. Du siehst ihn wohl täglich?«
»Nein, nur bei den Meetings. Und das ist egal – es ist vorbei.«
»Das hoffe ich«, meinte Rick und betrachtete sie hingebungsvoll. Dann fügte er hinzu: »Nein, das ist mir zu vage. Ich habe fest vor, dafür zu sorgen, dass das so bleibt.«
Ann genoss die rauchige Leidenschaft in seiner Stimme. »Ach ja?«, neckte sie ihn. »Ich kann es kaum erwarten, wie du das bewerkstelligen willst.«
»Erst mal habe ich vor, dich noch ein wenig länger aufzuhalten.«
»Ich sollte aber wirklich wieder an die Arbeit.«
»Noch nicht«, sagte er nur.
Im Nu hatte er sie davon überzeugt, dass sie überhaupt nicht mehr an ihre Arbeit musste.
Tara stieß noch auf einen weiteren Hinweis, dass in diesem Haushalt nicht länger die Vernunft obwaltete.
In dem kleinen Korb auf einem Eichentischchen neben dem Eingang, der sonst mit Blumen gefüllt war, standen jetzt kleine Fläschchen. Sie nahm eines und betrachtete es genauer.
Die Fläschchen stammten aus Notre Dame und waren mit Weihwasser gefüllt! Entnervt legte Tara das Fläschchen in den Korb zurück. Sie trat ins Freie und ging in den Stall. Dort stellte sie fest, dass der alte Daniel auf die Weide gebracht worden war. Während sie auf die leere Box starrte, hörte sie jemanden hereinkommen. Sie drehte sich um – es war Brent, der ihr nachgegangen war und nun den Eingang blockierte.
Es war wie bei ihrer ersten Begegnung in der Katakombe: Anfangs sah sie ihn nur schemenhaft, nur eine Silhouette. Er wirkte viel größer, wie ein riesiger Schatten, der den Eingang, das Tageslicht, die ganze Welt verdüsterte. Und wieder überkam sie dieselbe Angst wie beim ersten Mal, am liebsten hätte sie die Augen zugemacht. Ihr war, als würde sie noch einmal den Schrei aus der Grabkammer hören.
»Ich gehe noch mal zur Polizei«, erklärte sie entschlossen. »Dort werde ich sagen, dass ich in der Grabkammer war und Sie dort gesehen habe. Natürlich werde ich sagen, dass Sie nicht der Mörder sein können. Aber ich werde ihnen klarmachen, dass Sie ein sehr gefährlicher Mann sind, der meinen Großvater in den Wahnsinn treibt.«
Er trat stumm auf sie zu. Jetzt war er keine dunkle Silhouette mehr, sondern ein ganz normaler Mann. Er kam ihr weniger bedrohlich vor.
Obwohl sie fest und überzeugt klingen wollte, kamen ihr die Worte nur stockend und unsicher über die Lippen. Sie wich zurück.
»Hören Sie – ich weiß, dass Sie gefährlich sind. Und Sie glauben, dass Sie irgendeine hypnotische oder magnetische Kraft haben, mit der Sie die Leute dazu bringen, Ihnen Ihre lächerlichen Lügen abzukaufen. Aber wir sind nicht alle so leichtgläubig.«
Er kam weiter auf sie zu, schlank, gelenkig,
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