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Reich durch Hartz IV

Reich durch Hartz IV

Titel: Reich durch Hartz IV Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rita Knobel-Ulrich
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bestimmte Wohnungen gar nicht mehr herankämen, weil Hartz-IV-Empfänger bevorzugt würden. »Berlin hat Pauschalen«, erzählt Blümel weiter. »Das sind die Größenordnungen, an denen sich die Vermieter orientieren. Bestimmte Mieten, die vielleicht unter der staatlichen Pauschale gelegen hätten, werden also auf das Niveau, das der Staat offenkundig bereit ist zu zahlen, nach oben ›korrigiert‹, angehoben eben, weil sich ein Vermieter natürlich sagt, wenn mehr bezahlt wird, dann werde ich diese Mietsumme doch auch fordern. Vielleicht hätte er seine Wohnung für 300 Euro vermietet, aber so nimmt er eben 378 Euro, weil er weiß, dass das der Satz ist, den der Staat ohnehin zahlt.«
    Viele Langzeitarbeitslose wissen genau, wie viel Wohnraum ihnen laut Gesetz zusteht. Großfamilien mit vielen Kindern sind besonders fein raus: ein Einfamilienhaus mit Garten? Kein Problem: stimmt die Quadratmeterzahl, übernimmt das Jobcenter die Kosten.
    Alexander Neubacher vom Spiegel weist auf eine vom Bundesbauministerium geförderte Studie hin, die zu einem niederschmetternden Resultat kommt:
    Hartz IV habe »Potenziale für Miet- und Erlössteigerungen« eröffnet, »die häufig auch genutzt werden«. Die »Konkurrenzfähigkeit von Niedrigeinkommensbeziehern« gegenüber Langzeitarbeitslosen könne sich verschlechtern. Und so muss am Ende wieder der Staat einspringen, damit sich auch Geringverdiener eine Wohnung leisten können – in Form von Wohngeld oder Hartz IV für Aufstocker.
Hoffnungslose Fälle: die Erfindung der Kopfprämie
    Manche Erwerbslose schickt das Jobcenter mit einem Gutschein zu privaten Arbeitsvermittlungen, obwohl es selbst Tausende Fallmanager beschäftigt. Private Anbieter sind etwa Dorado, Jobhunter, JobStore oder per Zukunft.
    Die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter beschreibt uns Frau Temes, die Geschäftsführerin von per Zukunft. Ist die Fallmanagerin mit ihrem Latein am Ende, nachdem Bewerbungs- und Telefontrainings, Einkaufs- und Nähkurse ihren Klienten nicht weitergebracht haben, schickt sie ihn mit einem Vermittlungsgutschein zu einer privaten Arbeitsvermittlung, also zu Frau Temes und ihren Kollegen. Gelingt es ihnen, einen Arbeitslosen für mindestens sechs Wochen zu vermitteln, bekommen sie von der Arbeitsagentur eine Prämie von 1000 Euro. Dauert die Beschäftigung gar bis zu einem halben Jahr, gibt’s noch einmal 1000 Euro; bei Langzeitarbeitslosen sogar 1500 Euro. Das Ganze lohnt sich offenbar. Frau Temes hat immerhin vier Filialen in Berlin mit insgesamt 30 Mitarbeitern. Große Investitionen sind nicht nötig: ein Raum, ein Schreibtisch, ein Telefon und ein Rechner genügen.
    Was sich allerdings nicht lohnt, sind dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse. Denn am einträglichsten ist es, wenn der Vermittelte nach sechs Monaten erneut arbeitslos auf der Matte steht. Nachdem dieser sechs Wochen Arbeitslosengeld bezogen hat, kann er nämlich wieder den Anspruch auf einen Vermittlungsgutschein geltend machen. Das Spiel beginnt also von Neuem. Und Frau Temes kassiert wieder. Etwa 150 Menschen vermittelt sie im Monat, räumt sie im Gespräch ein. Das macht 300 000 Euro insgesamt.
    45.000 Gutscheine wurden laut Statistik der Bundesagentur allein im Jahr 2010 abgerechnet. 2011 waren es über 46 600 Gutscheine. Das ergibt ca. 100 Millionen Euro nur an Vermittlungsgebühr. Das System lädt zum Missbrauch also geradezu ein. Ungeschlagen bislang die Praxis einer privaten Arbeitsvermittlung in Freiburg: Mitarbeiter wurden 2010 vom dortigen Amtsgericht verurteilt, weil sie gleichzeitig eine Leiharbeitsfirma betrieben hatten. Diese Firma bekam von der privaten Arbeitsvermittlung Arbeitskräfte vermittelt. Dafür kassierten die Vermittler eine Kopfprämie. Kurze Zeit später flogen die Leiharbeiter wieder raus, und das Spiel konnte von Neuem beginnen. Da formal alles rechtens war, konnten die Behörden zunächst nichts dagegen tun. Bei jedem Vermittlungserfolg musste die Jobagentur zähneknirschend die Prämie auszahlen. Erst, als die Beschuldigten begannen, Unterschriften zu fälschen, konnte man sie dingfest machen.

Das ökonomische Prinzip : mit einem Minimum an Aufwand ein Maximum an Ertrag, oder: wie man das System ausnutzt
Arbeit? Nein, danke!
    Hartz IV ist als Basissicherung gedacht. Die grundlegenden Bedürfnisse von Menschen, die in Not geraten sind, sollen damit gedeckt werden. Niemand in Deutschland soll hungern und frieren müssen, und alle sollen ein Dach über dem Kopf haben. Doch viele

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