Reich durch Hartz IV
einen Kaffee trinken. »Sie wohnen ja nur um die Ecke. Sie könnten mir doch Ihre Bewerbungsunterlagen und die Absagen mal vorbeibringen?«
»Na ja, das kann ich wohl«, entgegnet Necat I. ein bisschen ungehalten. »Gut«, sagt die Fallmanagerin immer noch in liebenswürdigem Ton. »Sie sind bis nächste Woche krankgeschrieben. Wenn sich bis dahin kein Job findet, kommt das Thema Ein-Euro-Job noch einmal auf Sie zu. Das wissen Sie sicherlich.«
»Mal sehen«, Necat I. verzieht das Gesicht und humpelt mit schmerzhaft verzogenem Gesicht vom Platz.
Carmen K. sollte heute ihr Bewerbungstraining beginnen, hat sich aber krankgemeldet. Roland F., der qualifizierte Bauklempner, wartet schon auf dem Flur. Angelika Brauer hatte ihn aufgefordert, sich bei Zeitarbeitsfirmen als Bauhelfer zu bewerben. Seine Bewerbungsunterlagen hat Roland F. allerdings nicht dabei. »Aber wir hatten uns doch darauf geeinigt, dass Sie mir mindestens zehn Bewerbungen nachweisen.«
»Hm«, macht Roland F. »Ich bin liegengeblieben mit meinem Auto, und dann habe ich die Mappe im Auto vergessen. Jemand hat mich mit hierher genommen, damit ich den Termin noch schaffe. Durch das Hin und Her mit dem Umsteigen ist das passiert.«
»Bei welchen Firmen haben Sie sich denn beworben, Herr F.?« Angelika Brauer holt ein Blatt Papier, zückt den Bleistift, schaut Roland F. auffordernd an. »Na ja, bei allen Zeitarbeitsfirmen hier in Winsen, Lüneburg, Hamburg eben. Aber ich habe noch eine andere Idee. Ich könnte ja auch als Subunternehmer tätig werden.«
»Ja«, sagt Frau Brauer, »das ist eine gute Idee. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg damit. Aber ich brauche die Unterlagen.«
Roland F. merkte bei diesem Treffen offensichtlich, dass die Fallmanagerin nicht locker lassen würde. Seine Bewerbungen brachte er auch später nicht vorbei. Roland F. tauchte ab.
Doch Necat I. ist irgendwann wieder da. Er will Urlaub für Langzeitarbeitslose nehmen. »Wie geht es Ihnen?«, fragt Frau Brauer. »Oh, starke Rückenschmerzen«, sagt Necat I. »Muss jeden Tag Tabletten nehmen, jeden Tag. Türkischer Arzt hat zu mir gesagt, mir tut Wärme gut. Ich würde jetzt gern in Urlaub fahren, sechs Wochen in die Türkei. Vielleicht ist es besser, wenn ich zurückkomme.«
»Wie bezahlen Sie denn Ihren sechswöchigen Urlaub?«, will Angelika Brauer wissen. »Sechs Wochen?« Herr I. stutzt, merkt, dass er sich verplappert hat. »Nein, nein, ich fahre ja gar nicht sechs Wochen. Nur drei.« Angelika Brauer verzieht keine Miene: »Wir würden nämlich, falls Sie sechs Wochen in Urlaub fahren wollten, nicht die Kosten für die kompletten sechs Wochen übernehmen. Sie bekämen in dieser Zeit dann keine Leistungen.« Necat I. schluckt, läuft rot an und setzt hinzu: »Ja, das weiß ich. Nein, ich fahre nur drei Wochen. Ich habe das falsch gesagt.«
Kurz darauf erscheint Carmen K. Eigentlich sei sie krank, habe Magen- und Darmgrippe, erklärt sie gleich zu Anfang des Gesprächs. Als Frau Brauer meint, so sehe sie eigentlich gar nicht aus, hustet sie laut und anhaltend, um gleich hinterherzuschicken, dass sie sehr erholungsbedürftig sei und deswegen gedenke, sechs Wochen in Urlaub zu fahren. »Ich bin die ganzen Ferien nicht da«, eröffnet sie der Fallmanagerin. »Wer sagt das?«, will die wissen. »Ich!«, erwidert Carmen K. und schaut Angelika Brauer fordernd an. »Nicht, dass Sie mich anschreiben und mir etwas vermitteln wollen. Ich bin nicht da. Ich bin in Urlaub.« Frau Brauer bleibt ruhig, blickt auf den Computerbildschirm und erklärt: »Sie wissen, dass Sie dann die gesamten Ferien kein Geld von uns bekommen?«
Frau K. guckt verdutzt: »Warum?«
»Sie können sich eben nicht einfach in den Urlaub abmelden«, sagt Angelika Brauer streng. Carmen K. ist empört: »Na, das ist ja ganz was Neues.«
»Seit dem 1. Januar 2005 sind Sie langzeitarbeitsloser Hartz-IV-Empfänger. Früher gab es die Regel, dass Sie drei Wochen in Urlaub fahren durften, in denen Sie dann ihre Bezüge auch weiterbekamen. Sobald Sie heute länger als drei Wochen fahren, bekommen Sie in dieser Zeit auf keinen Fall Unterstützung.« Carmen K. merkt, dass ihr die Felle davonschwimmen. »Wir fliegen am 3. August und sind am 11. September eben wieder da«, erklärt sie zögerlich. Angelika Brauer merkt auf. »Und wie bezahlen Sie Ihren Urlaub?«
»Den habe ich von meiner Mutter geschenkt bekommen.«
»Den gesamten Urlaub über sechs Wochen oder nur die Tickets?«
»Sie haben doch eben gesagt, ich dürfe
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