Reich durch Hartz IV
abgewunken haben. Denn schlechte Erfahrungen haben sie ja alle schon gemacht, und nach Meldungen wurde ihnen allen schon vorgeworfen, solche Erzählungen seien übertrieben, derartige Beobachtungen Zufall, alles verschwindend geringe und seltene Ausnahmen. So wird gern abgewiegelt.
Verschwindend gering? Gibt es wirklich nur drei Prozent Missbrauch? Das scheint mir wenig glaubhaft. Ein Richter äußerte im Gespräch mit Heinz Buschkowsky dazu: »Warum uns bekannte Familien keinen permanenten Fahndungsdruck spüren, wieso wir sie mit dicken Autos durch die Straßen donnern lassen, obwohl sie Hartz IV beziehen, erschließt sich auch mir als Richter nicht. Da ist doch ein Anfangsverdacht gegeben, mit dem man die Autos beschlagnahmen kann. Man muss diesen Familien das Leben schwerer machen.«
Forderung: Wenn Lehrern, Bürgermeistern, Richtern oder Zollbeamten wiederholt auffällt, dass Menschen, die angeblich auf Hartz IV angewiesen sind, ungewöhnlich große Autos fahren und einem Lebensstandard frönen, der mit Hartz IV nicht zu vereinbaren ist, dann ist Datenschutz Täterschutz, und der Sache sollte nachgegangen werden.
8. Die heimliche Macht der Helfer muss erkannt und deren Interessen müssen offengelegt werden
Walter Wüllenweber hat sich die Karrieren ehemaliger Politiker angesehen, zum Beispiel die des ehemaligen parlamentarischen Geschäftsführers der SPD-Bundestagsfraktion Wilhelm Schmidt. Der ist heute Präsidiumschef des Bundesverbands der Arbeiterwohlfahrt. An seiner Seite im AWO-Präsidium Helga Kühn-Nagel, die 13 Jahre lang SPD-Bundestagsabgeordnete war. Die Bundestagsabgeordnete der SPD, Kerstin Griese, die nach neun Jahren im Bundestag den Wiedereinzug im September 2009 knapp verpasste, arbeitete nach ihrem kurzzeitigen Ausscheiden beim Diakonischen Werk. Als sie 2010 wieder in den Bundestag einzog, weil sie nachrückte, kündigte sie an, »soziale Gerechtigkeit« werde die Leitschnur ihrer parlamentarischen Tätigkeit sein. Rudolf Seiters wurde Präsident beim Deutschen Roten Kreuz. Keine andere Branche sei politisch so vernetzt wie die der Wohlfahrtsverbände, sagt Iris Röthig von der unabhängigen Fachzeitschrift Wohlfahrt intern . Es ist eine spezielle Kaste. Im Bundestag kaum vertreten sind hingegen Handwerksmeister, selbstständige Unternehmer oder Facharbeiter. Sie haben keine Zeit für Extratouren, weil sie Verantwortung für eine Firma oder einen Handwerksbetrieb tragen, abends und am Wochenende über Formularen und Statistiken brüten und Bestellungen und Abrechnungen machen müssen. »Stattdessen«, so merkt Wüllenweber kritisch an, »sitzt längst die Hilfsindustrie selbst im Bundestag.« Ihm zufolge geben »218 Bundestagsabgeordnete […] an, dass sie eine Vorstands- oder Leitungsfunktion in einem Hilfsunternehmen inne haben. Das sind 35 Prozent aller Abgeordneten! Die größte Gruppe im Deutschen Bundestag sind also die Manager eines Sozialunternehmens.« Welch Wunder, dass Forderungen, jeder müsse zunächst einmal Verantwortung für sein eigenes Leben übernehmen, und die Gesellschaft dürfe erst dann einspringen, wenn ein Mensch zu alt und zu krank ist und wirklich nichts mehr geht, als grausam und unmenschlich abgetan werden. Die Hilfsindustrie dagegen gibt sich gern fürsorglich und uneigennützig, immer nur das Wohl der Armen und Entrechteten im Blick habend. Allerdings wird geflissentlich, verschwiegen, welchen Nutzen die Hilfsindustrie selbst aus der Hilfsbedürftigkeit anderer zieht.
Forderung: Die Interessen der Helfer müssen offengelegt werden, denn der Wohlfahrtsstaat alimentiert eine riesige Hilfsindustrie. Dies ist eine Tatsache und sollte stärker ins Bewusstsein rücken, wenn Verbandsvertreter angeblich uneigennütziger Wohlfahrtseinrichtungen über »Armut in Deutschland« sprechen.
9. Mehr Verantwortung an Kommunen und Stadtteile übertragen
Jobcenter sollten ausschließlich den Kommunen unterstellt werden. Diese können flexibler reagieren als zentrale Agenturen und wissen beispielsweise, welcher Betrieb vor Ort Arbeitskräfte sucht, welcher bereit ist, Langzeitarbeitslose einzustellen und wo es gegebenenfalls angebracht ist, gemeinnützige Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen.
Die Kommunen in den Niederlanden zum Beispiel haben sich im Zuge von Reformen umgestellt, bieten sinnvolle Aktivitäten an und sorgen so dafür, dass Arbeitslose nicht durchs Raster fallen. Sie werden auch mehrmals pro Woche zu unterschiedlichen Zeiten zum Gespräch eingeladen, sollen eigene
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